Pfarrer Martin Treichel ist seit etwas mehr als 100 Tagen Landesmännerpfarrer der Evangelischen Kirche von Westfalen. Marcel Temme sprach mit ihm über die erste Zeit im neuen Amt und über seine Pläne und Ideen für die Zukunft der Männerarbeit.
☐ Herr Treichel, wie geht es Ihnen nach den ersten 100 Tagen?
Gut. Ich wurde sehr freundlich und wertschätzend im Fachbereich „Männer, Familie, Ehrenamt“, im Institut für Kirche und Gesellschaft sowie von den Ehrenamtlichen im Landesvorstand und in den Bezirksvorständen aufgenommen. Ich habe bereits viele Gespräche mit ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geführt, die mir gegenüber sehr offen waren. Zudem gab es einen guten Start mit der Sommertagung der Männerarbeit. Und schließlich gibt es gute erste Kontakte mit dem Frauenreferat. Viele Themen bearbeiten wir schon gemeinsam und weitere Kooperationen bahnen sich an.
☐ Welche Themen und Projekte möchten Sie in den kommenden Jahren angehen?
Zunächst möchte ich festhalten, dass ich die bislang im Fachbereich gesetzten Schwerpunkte, wie die verbandliche Männerarbeit inklusive der Studienfahrten, die häufig eher ältere Männer erreicht, die Vater-Kind-Arbeit mit 70 Vater-Kind-Seminaren im Jahr und auch das Projekt „Nadeshda“ in Weißrussland wichtig und wertvoll finde. Dies sind Stärken von uns. Diese Themen werden auch in Zukunft unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung benötigen.
Für Männer im Alter von 40 bis 60 Jahren haben wir bislang weniger anzubieten. Hier möchte ich verstärkt ansetzen. Es ist eine spannende Lebensphase für Männer, was ich auch bei mir selber bemerke. Die Kinder verlassen das Elternhaus, die eigenen Eltern werden älter oder versterben. Es stellen sich neue Fragen bezüglich der Arbeit und der Partnerschaft, die körperliche Leistungsfähigkeit lässt nach. Es ist also eine Lebensphase, die neues Nachdenken und neue Aufbrüche erfordert.
☐ Wie wollen Sie mehr Männer für unsere Kirche begeistern?
Ich glaube, viele Männer haben mit der Institution Kirche zunächst ein Problem. Sie wissen nicht, ob die Kirche Antworten auf ihre spezifischen Fragen im Leben geben kann und ob sich die Kirche wirklich für ihre Lebensthemen interessiert. Daher braucht es aus meiner Sicht ein kirchliches Angebot, das nicht unsere fertigen Antworten liefert, sondern eines, das die Männer fragt: „Was sind eure Themen? In welchen Wirklichkeiten spielt sich euer Leben ab?“
Das Wichtigste wird sein, deutlich zu machen, dass die Männerarbeit um der Männer willen geschieht! Die Männer sollen profitieren.
☐ Was hat Sie am meisten überrascht?
Die Menschen, denen ich von meiner Arbeit erzähle, sind zunächst oft distanziert: „Was macht ein Landesmännerpfarrer? Was ist die Männerarbeit? Wozu braucht man das? Passt das noch in die heutige Zeit?“ Das sind Fragen, die mir begegneten. Wenn ich erkläre, was wir tun, stelle ich Offenheit und Neugier fest. Es gibt Bestätigung von Männern und Frauen, dass wir wichtige Themen bearbeiten. Die Vaterrolle, die Männerrolle in Kirche und Gesellschaft, die verschiedenen Anforderungen an Männer, daran besteht großes Interesse. Die Reserviertheit vom Anfang weicht dann sehr schnell.
☐ Zu was lässt Ihnen Ihr Amt als Landesmännerpfarrer noch Zeit?
Ich werde demnächst einen achttägigen Transalpinlauf von Deutschland über Österreich nach Italien absolvieren. Dafür trainiere ich natürlich. Das ist gleichzeitig eine gute Einstimmung für Angebote, die ich zusammen mit unseren Partnern aus dem Rheinland plane. Wir möchten nächstes Jahr mit Männern in die Berge. Aber keine Angst, wir werden nicht rennen, sondern wandern.
☐ Vermissen Sie etwas aus Ihrer Zeit als Gemeindepfarrer?
Mir fehlen die regelmäßigen Gottesdienste, die ich wirklich gerne gestalte. Ich freue mich deshalb, dass ich in meiner Gemeinde in Wengern, in der wir weiterhin wohnen, regelmäßig Gottesdienst feiern kann. Jetzt sozusagen als Ehrenamtlicher.