Greifswald. Vielleicht ist sie ja einfach die kleine Kirche neben der großen: die Dombuchhandlung in der Domstraße gegenüber von St. Nikolai Greifswald. Denn es ist bei weitem nicht nur das gedruckte Wort, das über den bunt gefüllten Ladentisch von einem zum anderen geht. Sondern auch das Gesprochene. So manches gute Gespräch über ‚Gott und die Welt‘ läuft hier zwischen Büchertresen und Regalen. „Das ist manchmal auch Seelsorge“, sagt Ladenchef Bartsch lächelnd und ist überzeugt: „Die Hemmschwelle, hierherzukommen und zu reden, ist vielleicht kleiner, als zum Pastor zu gehen.“
So ist es seit 60 Jahren. Am 1. September 1958 eröffnete das Geschäft in der Reihe geduckter alten Giebeldächer – erste und einzige evangelische Buchhandlung der Hansestadt. Eine „Insel des Glaubens im Schatten des schlanken Nikolaus“, wie Mitbegründerin Renate Schröder-Zabel es beschrieb. Sie ist inzwischen verstorben.
Lizenz außer Kraft
Die im Mai 1957 in Rostock erteilte Lizenz setzte die Greifswalder Bürgermeisterin kurzerhand außer Kraft. Vor der Buchhändlerin Zabel, die ihre gute Stellung in der Universitätsbuchhandlung für den Laden aufgegeben hatte, lag eine unsichere Zeit. Mit Bischof Friedrich-Wilhelm Krummacher im Gespann und viel Beharrlichkeit gelang es, mit einem Jahr Verspätung zu eröffnen. Das Jungmännerwerk, das bereits sechs Buchläden in der DDR betrieb, übernahm.
Und ein junger Mann war es auch, den vielleicht nicht der Himmel, aber eben dieses christliche Werk in den 1980ern mit einem Bautrupp schickte: eigentlich „nur“, um das Küsterhaus nebenan auszubauen. Es war Uwe Bartsch – der heutige Leiter der Buchhandlung. Renate Penitzka, seit 1963 dabei und inzwischen Rentnerin, leitete den Laden, nachdem Ruth Papke 1984 ausgeschieden war. „Der versteht was von Büchern“, merkten die Frauen bald, und schickten den gelernten Klempner von 1988 bis 1990 nach Leipzig in die Buchhändler-Ausbildung.
1994 wurden die Dombuchhandlung zur GmbH. Seit 2002 leitet Bartsch das Geschäft und schifft es durchs neue Jahrtausend, in dem nicht mehr Mangel, sondern Überfluss die Hürde ist, die es zu nehmen gilt. Doch die allgemeine Klage über die Konkurrenz durchs Internet will Uwe Bartsch nicht mitführen. „Einen Buchladen am Leben zu halten, war nie einfach. Die Schwierigkeiten liegen heute eben woanders.“
Was das Internet nicht schafft
Denn was das Internet nun einmal nicht zu bieten hat, sind die netten Gespräche, ist die Atmosphäre in diesem kleinen Lädchen, das mit seinen bunten Schaufenstern wie die Türen eines Adventskalenders anmutet. „Sie haben aber schöne Sachen“, sagen die Kunden oft. Auch wenn sie nichts kaufen, ist es Uwe Bartsch und seinen Mitarbeiterinnen Dorothee Haack und Elisabeth Freese recht. „Es geht ja nicht nur ums Geld“, sagen sie. Sondern darum, den Kunden zu sehen. "Wir wollen ja auch eine Botschaft herüberbringen“, sagen sie.
Und dabei darf auch gern fröhlich zugehen. Die Angebotspalette beschränkt sich nämlich längst nicht nur auf Bibeln und ernste Erbauungslektüre. Auch Journale und Regionalliteratur sind gut sortiert. Und bunte, lustige, christliche Geschenkideen für Jubilanten aller Art füllen die Tische: Vielleicht eine Kerze für den Täufling? Ein Radiergummi für den Konfirmanden mit der Aufschrift: „Gott macht keine Fehler“. Oder die Servietten mit „Geh aus mein Herz und suche Freud“ für die Goldene Konfirmation?
Sogar original israelische Weine bietet Bartsch an. „Das passt doch gut“, sagt er. „Viele Kunden, die schon mal im Heiligen Land waren, freuen sich, den Wein von dort zu kriegen. Das gibt es in Greifswald sonst nicht!“
Das Programm zum Jubiläum
Für den Jubiläumsmonat September hat Uwe Bartsch sich einiges Besonderes ausgedacht. Den ganzen Monat hindurch gewährt er zehn Prozent Rabatt auf alle nichtpreisgebundenen Artikel. „Damit alle was davon haben“, sagt er. Auch auf den Wein, übrigens.
Außerdem lädt er zu zwei besonderen Abenden ein. Am Sonntag, 16. September, sind Samuel Koch & Friends mit dem Programm „Rolle vorwärts“ zu Gast. „Es ist beeindruckend, wie dieser junge Mensch mit seinem Schicksal umgeht“, sagt Bartsch. Seit seinem Unfall vor acht Jahren bei „Wetten, dass … ?“ ist Samuel Koch (30) vom Hals abwärts gelähmt. Dennoch ist er einer, der anderen Kraft schenken möchte: Er hält Vorträge, schreibt Bücher und arbeitet als Schauspieler am Nationaltheater Mannheim. „Damit wir mehr Leute erreichen, veranstalten wir das in der Jacobikirche“, sagt Bartsch.
Und am Sonnabend, 22. September, wird der Wein aus Israel verkostet. „Das soll ein heiterer, lockerer Abend werden“, freut sich Bartsch. Mit hoffentlich schönen Geschichten alter und neuer Zeit, mit vielen Kunden und Gästen.
Info
"Rolle vorwärts" mit Samuel Koch & Friends beginnt am Sonntag, 16. September, um 18 Uhr in der Jacobikirche. Karten gibt es für 15 Euro in der Dombuchhandlung.
Die Weinprobe beginnt am Sonnabend, 22. September, um 19 Uhr im Gemeinderaum St. Nikolai, Domstraße 13. Der Beitrag liegt bei fünf Euro.