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Das “grüne Band”

Die deutsche Einheit am “Grünen Band” erwandern

 

Alle Knospen springen auf, fangen an zu blühen

Stefan Felmy, bis 2019 Pfarrer in Markgrafpieske und heute im Ruhestand, ist im Juli 2022 zu Fuß das „Grüne Band Deutschland“ auf dem alten Grenzweg zwischen Ost- und Westdeutschland gewandert. Im Rucksack hatte er Luftmatratze und Schlafsack.

Auszüge aus seinem Erfahrungsbericht zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit.

Der erste Tag beginnt mit leichtem Regen. Abweichend vom offiziellen Start in Hof geht mein Weg in Hra­nice an der tschechischen Grenze los. Am frühen Morgen war ich von Bad Elster dorthin gebracht worden. Knapp 20 Tage möchte ich bis ins etwa 200 Kilometer entfernte Linde­nau unterwegs sein. Ursprünglich hatte ich von der Quelle der Oder zur Ostsee wandern wollen. Aber hier hatte mir die Schweinepest einen Strich durch die Planung gemacht……

Ich balanciere mehr als zu wandern. Die Betonplatten für die Militärfahrzeuge an der ehemaligen DDR-Grenze erfordern mental und körperlich höchste Konzentration. Ich will nicht in die zum Teil zugewachsenen fußgroßen Löcher treten. Schon bald muss ich mich auf eine Bank setzen und durch ­schnaufen. Mein Vorhaben wird kein Zuckerschlecken!

Ein trügerisches Luftbild im Flimmern der Hitze

Dafür habe ich Natur satt: Kornfelder soweit das Auge reicht. Baumgrup­pen entlang des Kolonnenwegs sind zu sehen, Buschgrün in der Ferne lassen die Wegschleifen erahnen. Weite Hügel begrenzen den Blick. Manchmal hebt sich der Flügel eines Segelfliegers aus den Kornfeldern. Ein trügerisches Luftbild im Flim­mern der Hitze. Sie erweisen sich als Rotoren von Windkraftwerken.

Immer wieder bleibe ich stehen, um mich umzuschauen. Aber so komme ich nie an! Es ist die ungewohnte Herausforderung, die mich zum Halt zwingt. Denn über 100 Kilo bringe ich mit Rucksack auf die Waage……

Spontan eine Dialogpredigt gehalten

Im thüringischen Hirschberg wird’s noch bunter. Auf der dortigen Hän­gebrücke über die Saale hänge ich erschöpft über dem Geländer des Stegs. Hinter der Kirche begrüßen mich später am Tag einige Mit­glieder des Kirchenvorstandes mit flüssigen Resten vom 180. Kirchen­geburtstag. „Aber nur ein Viertel, Herr Pfarrer“, ruft die Vorsitzende, „gleich ist die Abendandacht!“ Wir gestalten sie spontan als Dialogpre­digt und schließen mit Luthers Abendgebet. Das werde ich fortan immer so praktizieren. Junge Familien und ein junger Geist haben aus der Stadtkirche eine Her(r)bergskirche gemacht. Das neue Konzept begrenzt sich nicht auf gewachsene Strukturen, alle Interessierte werden in Gestaltung, Planung und Durchführung ein ­bezogen. Nach Kirchenmitgliedschaft wird nicht gefragt. Ich bin das Versuchskaninchen und schlafe als erster im Pilgerbett auf der zweiten von drei Emporen in zwölf Meter Höhe. Nachts schlägt dem Glücklichen die Kirchenglocke jede Stunde……

Verschiedene Kirchen, inspirierende Menschen

Immer wieder bin ich fasziniert von der Unterschiedlichkeit der Kirchen, manchmal sind sie auf eine sehr be­rührende Weise einfach gehalten wie die Winterkirche in der Berg- und Schieferstadt Lehesten in Thü­ringen. Manchmal sind die Gottes­häuser überladen mit Malereien wie in Mupperg, das Notre Dame Süd­thüringens – dort nächtige ich im eigenen Pilgerzimmer. Es ist fast immer ausgebucht.

Andere Kirchen sind hoch ­modern mit Bildschirmen für Lieder an den Wänden wie in Tettau am Tag zuvor. Und überall treffe ich auf Menschen, die auf ganz unterschiedliche Weise das Leben in den Ge­meinden beflügeln – manche ganz alt, manche ganz jung. Einige still und leise, andere laut und extro­vertiert – aber alle haben Konzepte und Ideen. Ja, alle Knospen springen auf, manche verhalten.

Wenn anderswo negativ über Kirche berichtet wird, erlebe ich hier im Kleinen das Gegenteil. Es sind meist die Ehrenamtlichen, die Kirche tragen und leben. Manchmal ermutigt von Pfarrerinnen und Pfar­rern, die sich als ihre Assistenten und nicht als Vormund verstehen.

Den vollständigen Artikel können Sie in der Ausgabe 39/2022 in die Kirche lesen.