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„Das größte Geschenk meiner Landeskirche“

Das Haus Inspiratio im Kloster Barsinghausen in Niedersachsen bietet eine begleitete Auszeit an für Menschen, die im kirchlichen Dienst stehen. So mancher, der das Angebot einmal genutzt hat, meint: „Das sollte jeder mal machen“.

„Haus Inspiratio in Anspruch zu nehmen – das ist kein Makel. Sondern ein Qualitätsmerkmal“, sagt Andrea Rose aus Bielefeld mit einem Augenzwinkern. Die stellvertretende Pressesprecherin der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) hat schon vor zwei Jahren das Angebot der Landeskirche angenommen: Eine begleitete Auszeit von ihrem Job. Sechs Wochen raus aus dem Alltag. Kein Terminkalender. Kein Zeitdruck. Kein Stress.
Vor einem guten Jahr war Pfarrer Gerd Oevermann aus Dülmen im Kloster Barsinghausen, wo auch Haus Inspiratio angesiedelt ist. „Ich war bei Terminen manchmal nicht richtig anwesend, weil ich gedanklich schon beim nächsten war“, sagt er. „Ich wurde immer unzufriedener und fühlte mich gestresst.“ Im Gespräch mit dem Superintendenten, mit Kollegen und seiner Familie kam die Idee mit Haus Inspiratio auf. „Alle haben es mitgetragen. Das war toll.“

Das ist nicht immer so. „Manche sprechen nicht gerne über ihre Zeit bei uns“, sagt Pfarrer Guido Depenbrock. Er ist Leiter der Einrichtung. „Leider gibt es gerade unter Pfarrerinnen und Pfarrer etliche, die es als Schwäche sehen, wenn sie eine Auszeit brauchen.“ Dabei sei es eine Stärke, wenn jemand zu seinen Grenzen stehen kann. „Aber klar, es wird einem auch manchmal als Makel ausgelegt.“ Er erlebt es immer wieder, dass Kursteilnehmer erzählen, sie mussten sich die Zeit erkämpfen und es werde nicht gerne gesehen, dass sie Inspiratio in Anspruch nehmen. „Eine Kur ist oft mehr akzeptiert.“

Glaubensleben, Gespräche, Bewegung, Entspannung

Doch das Angebot in Barsinghausen ist genau auf kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgestimmt. Guido Depenbrock, selbst Pastor, kennt den Alltag und die Anforderungen in Gemeinden. Im Unterschied zur Kur wird in Barsinghausen das geistliche Leben thematisiert. „Wir haben den Glauben als Kraftquelle im Blick.“
Pro Kurs können neun Personen teilnehmen. Zum Programm gehören unter anderem Einzel- und Gruppengespräche, geistliche Begleitung, Kunsttherapie, Bewegungsangebote, Entspannungsübungen, Mitarbeit in Haus und Garten und die Möglichkeit, an den Tagzeitengebeten des Klosterkonvents teilzunehmen. Allerdings sagt Depenbrock: „Unsere Gäste sollten sich nicht in einer akuten Notsituation befinden. Wir können hier keine Therapie leisten.“ Neben Pfarrer Guido Depenbrock, der auch Supervisor und geistlicher Begleiter ist, gehören zum Team: Psychotherapeutin Meike Kohzer, Kunsttherapeutin Manuela Köhler und Schwester Barbara Silbe.

Für Andrea Rose war die Kunsttherapie eine Entdeckung. „Erst war ich gar nicht begeistert“, berichtet sie. „Doch dann hat sie mir viel gebracht. Hat mich an meine Grenzen geführt, mich gleichzeitig auch Gelassenheit gelehrt.“ Gerade Gelassenheit brauche sie auch in ihrem Beruf. „Manchmal habe ich Schwierigkeiten mit den kirchlichen Strukturen.  Ich habe gelernt, dass ich die Strukturen nicht ändern kann, aber meine Einstellung dazu.“
Die wesentliche Erkenntnis für Gerd Oevermann war: „Den meisten Stress mache ich mir selbst.“ Ein Jahr nach seiner Zeit im Kloster zieht er Resümee: „Es gibt immer noch Stress­phasen, aber ich kann mir jetzt auch Ruhephasen einplanen. Außerdem habe ich Verantwortung abgegeben.“ Besonders das Bogenschießen habe ihm gut getan. „Da braucht man den richtigen Standpunkt, muss das Ziel ins Visier nehmen und zum richtigen Zeitpunkt loslassen.“ Außerdem hat er die regelmäßigen Gebetszeiten des Klosterkonvents genossen. „Ich habe mich in diesen sechs Wochen noch mal ganz neu wahrgenommen.“

Oevermanns Auszeit wurde im Gemeindeteam als Anlass genommen, auf die gesamte Arbeit zu schauen. Dabei fiel auf: Auch manchen Ehrenamtlichen wurde es zu viel. „Jeder sollte Freude an der Arbeit haben. Arbeit soll erfüllen, nicht überfordern.“ Oevermann weiß, dass er Glück hat – sowohl mit seiner Gemeinde, den Kollegen, dem Presbyterium und mit seiner Familie.

Arbeit soll erfüllen, nicht überfordern

Im Januar 2015 hat der erste Kurs im Haus Inspiratio stattgefunden. Pro Jahr werden im Schnitt fünf Kurse angeboten. Inspiratio ist eine Einrichtung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in Zusammenarbeit mit der EKvW und der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Der Antrag wird bei der jeweiligen Landeskirche gestellt. Haus Inspiratio ist bewusst in einem Kloster angesiedelt, um noch mehr geistliche Anbindung zu haben. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es allerdings in Barsinghausen: Der Konvent besteht momentan nur noch aus zwei Frauen. „Ich bin derzeit die einzige Schwester hier“, sagt Schwester Barbara. Sie und Konventualin Manuela Köhler hoffen darauf, dass sich bald wieder Frauen finden, die mit ihnen das Kloster beleben. Auch Pastor Depenbrock würde sich freuen. „Haus Inspiratio besteht zwar unabhängig vom Konvent, aber das Klosterleben ist schon eine große Bereicherung.“
Das bestätigt Andrea Rose. Auch nach zwei Jahren hält sie noch Kontakt zum Kloster. Für sie steht fest: „Diese sechs Wochen sind das größte Geschenk, das mir meine Landeskirche machen konnte.“

Wer sich für eine Auszeit in Haus inspiratio interessiert, kann sich informieren unter Telefon (0 51 05) 80 96 53-0, E-Mail: info@inspiratio-barsinghausen.de. Das Büro ist erreichbar von 9 bis 13 Uhr am Montag, Mittwoch und Donnerstag. Internet: www.inspiratio-barsinghausen.de.
Frauen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren, die sich vorstellen können, mindestens ein Jahr lang im Konvent mitzuleben, melden sich bei: Schwester Barbara Silbe, Telefon (0 51 05) 619 38, E-Mail: info@kloster-barsinghausen.de.