„Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?“ Wenn du das hörst und antwortest: „Ich“, dann sagt Gott zu dir: „Willst du wahres und unvergängliches Leben, bewahre deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor falscher Rede! Meide das Böse und tu das Gute; suche Frieden und jage ihm nach!“ (1. Petrus 3,10-12) (zitiert aus Psalm 34,13-17) siehe auch (Regula Benedicti, Benediktiner-Regel, Prolog 15-17)
Nationalismus und Rassismus entgegentreten
Wir glauben, dass jedes menschliche Wesen geschaffen wurde als ein Ebenbild Gottes (Genesis 1,26). Als solch ein Ebenbild hat Gott jedem und jeder Würde und Wert beigelegt, sodass wir Kinder des einen Gottes sind, der alles geschaffen hat. Jede Form des Rassismus verleugnet die Ebenbildlichkeit Gottes bei einem Teil der Kinder Gottes. Die Gerechtigkeit unter den Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, und die Aufhebung aller Zertrennungen sind für uns biblische und theologische Vorgaben. Sie sind Wesensmerkmale der Aufgabe (Mission) der Kirche in dieser Welt.
Darum lehnen wir ab: das Aufleben eines Nationalismus und Rassismus an verschiedenen Enden unseres Landes, Europas und der Welt. Wir nennen alle Ideen, Anschauungen oder politische Aussagen, die rassistische Vorurteile, Ängste und Sprache benutzen, Sünde – eine Sünde, die tief in die Geschichte des weißen Europas eingeschrieben ist und immer noch fortbesteht. Jede Form des Rassismus ist mit der Zugehörigkeit zum Leib Christi unvereinbar.
Schuld eingestehen statt deutsche Heldengeschichte zu postulieren
Wir glauben, dass im Abendmahl Erinnerung und Sündenvergebung zusammenkommen (1. Korinther 11, 23–32). In der Erinnerung an den Juden Jesus wird Gemeinschaft gestiftet und Schuld vergeben, in der Erinnerung an unsere Schuld eröffnen wir den Weg zu Reue, Umkehr, Vergebung und Neuanfang. Wir sind Teil der Geschichte Gottes mit seiner Schöpfung und seinem Volk (Deuteronomium 26,5ff.). In dieser Geschichte haben wir teil an dem, was vor uns war und was nach uns sein wird: „Die Eltern haben saure Trauben gegessen und den Kindern werden die Zähne stumpf“ (Jeremia 31,29). Deshalb suchen wir zur Verantwortung zu stehen, nicht nur für unsere Verstrickungen in gegenwärtiges Unrecht, sondern auch für die Un-Taten der Generationen vor uns. Aus beidem wollen wir lernen, weil nur so Gemeinschaft der Verschiedenen auf Augenhöhe möglich wird.
Darum lehnen wir ab: die Umdeutung des Nationalsozialismus in eine Fußnote der Geschichte und den Versuch, eine ungebrochene deutsche Heldengeschichte zu generieren, ebenso wie die Erklärung von Nation und Volk zum Ziel der Geschichte und von Fremden zu Feinden. Wir halten es für unerträglich, die Politik Israels mit der des nationalsozialistischen Deutschlands zu vergleichen.
Migrant*innen sind keine Sündenböcke
Wir glauben, dass Gott uns aus scheinbar sicheren Verhältnissen in die Unsicherheit ruft. Verheißung bedeutet Aufbruch: Abraham und Sara verlassen ihr Vaterland, Israel die Sklaverei in Ägypten, David die Herde seines Vaters, Jeremia seine geordneten Verhältnisse. Jesus kehrt mit Maria und Joseph zurück nach Ägypten und bricht auf, um die Botschaft in Gottes Wort anders zu interpretieren und die Grenzen des Lebens zu überwinden. Deshalb sehen wir in der Bibel Migration als die Mutter aller Entwicklung und Aufbruch als Gottes Sendung.
Deshalb lehnen wir ab: die negative Bewertung von Flucht und Migration in politischen Reden, in sozialen Netzwerken und in Medien. Es ist unerträglich, dass Geflüchtete zu Verantwortlichen für allgemeine gesellschaftliche Ungerechtigkeiten wie fehlende Wohnungen, geringe Renten und mangelnde Kita-Plätze gemacht werden. Es ist gegen die Wurzeln menschlicher Entwicklung und biblischer Weltdeutung gerichtet, wenn Migration nur als Problem gesehen wird und Migrant*innen zu Sündenböcken für nicht von ihnen verantwortete soziale und politische Defizite gemacht werden. Stattdessen muss Europa, müssen wir reichen Nationen dieser Welt unseren großen Anteil an Korruption und mangelnder Entwicklungsmöglichkeit in den Herkunftsländern der Geflüchteten aktiv wahrnehmen.
Frieden mit allen Religionen gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit
Wir glauben an das Bild von der Zeitenwende, das der Prophet Micha (Micha 4,1–4) beschreibt. In dieser Zeitenwende treffen sich die Völker, um den Krieg abzuschaffen, gemeinsam leben zu lernen und es sich miteinander gut gehen zulassen. In der gegenwärtigen Situation gilt es zu begreifen, wie wir mit unseren Schwesterreligionen einen konkurrenzfreien Weg der Gemeinschaft entwickeln können. Wir wissen aus unserer Geschichte, dass wir nicht gefeit sind vor Herrschaftssehnsüchten und Gewalt. Das macht uns demütig, aber ernsthaft und realistisch im Ringen um einen friedlichen gemeinsamen Weg mit anderen Religionen. Gerade unsere in Teilen von großer Gewalt gezeichnete Kirchengeschichte lässt uns dankbar wahrnehmen, wie viele der ehemaligen Opfer von Judenhass und kolonialem christlichen Überlegenheitsgefühl heute noch und wieder mit uns diese Welt gemeinsam gestalten wollen.
Deshalb lehnen wir ab: Wenn Muslime pauschal als Gefahr für die moderne Welt beschrieben werden. Der Islam und die Muslime in ihrer Gesamtheit sind weder antimodern, noch zur Gewalt neigend, noch nicht integrierbar. Wir weisen auch die Einstellung zurück, dass Juden zu viel Einfluss in der Welt haben. Wir lehnen es entschieden ab, das Judentum negativ entlang der diskriminierenden Zuschreibungen der Vergangenheit zu betrachten, mit den kirchlich geprägten und denunzierenden Stichworten Rachegott, Pharisäer, Gesetzlichkeit, Partikularismus, die sich nicht selten in einem sich christlich verstehenden Antizionismus zeigen.
Keine Trennung nach Herkunft, Status, Religion oder Geschlecht
Wir glauben, dass Paulus (2. Korinther 12,14.15) schließlich keinen festen Wohnort mehr kennt und sich zum Ziel setzt, die innerweltlichen Grenzen außer Kraft zu setzen: Herkunft, Status, Geschlecht. Paulus arbeitet mit Apostelinnen (Junia) zusammen, traditionelle Geschlechterrollen sind aufgehoben in der Gestaltung der neuen Wirklichkeit. Diese Vision oder auch Sicht auf die Wirklichkeit der Gemeinde, die Wirklichkeit der Welt werden will, ist uns Richtschnur unseres gemeindlichen und gesellschaftlichen Engagements: „Da ist nicht Jude noch Grieche, nicht männlich noch weiblich, nicht Herr noch Knecht“ (Galater 3,28). Wir wissen, dass wir diesen kurzen wie umfassenden Glaubenssätzen in unseren Kirchen hinterherhinken. Das macht unser Angewiesensein auf Gottes Gnade mehr als deutlich. Gott hat diese Gnade seinem Volk und den Völkern immer wieder zugesprochen. Aber dieser Zuspruch ist keine billige Gnade, sondern setzt den Willen zur Umkehr und zum Tun der Weisung voraus.
Deshalb lehnen wir ab: alle Weltanschauungen, die sich der sogenannten natürlichen Ungleichheit bedienen, ebenso die Herrschafts- und Gewaltverhältnisse unter Menschen, die rassistischen oder ethnozentrischen Zuschreibungen von Wertigkeit von Menschen konstruieren. Die eurozentrische Perspektive, die Europa und seine Geschichte anderen Kontinenten und Kulturen für überlegen hält, die männliche Vorstellung von Überlegenheit wie auch die judenfeindliche und rassistische Perspektive auf „die Anderen“ lehnen wir als unchristlich und sündhaft ab.
Gerechtigkeit und gleiche Chancen für alle. Solidarität mit den Schwächsten
Wir glauben, wie wir die Hungrigen und Durstigen, die Nackten, die Fremden, die Kranken und die Gefangenen behandeln, so behandeln wir Christus selbst. „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern und Schwestern, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,31–46). Gott ruft uns auf, Gerechtigkeit für die zu schützen und zu suchen, die arm und verletzlich sind. Wie wir Menschen behandeln, die als „benachteiligt“, „Fremde“, „Außenseiter“ oder sonst wie als am Rand stehend gelten, erweist, wie es um unser Verhältnis zu Gott steht, der uns alle in seiner göttlichen Größe und Liebe gleich geschaffen hat. Wenn wir Jesus Christus als den Herrn verkündigen, erklären wir unsere Solidarität mit den Schwächsten. Es gehört zu den zentralen Verpflichtungen aus beiden Teilen unserer Bibel in der Nachfolge Jesu, die Armen zu schützen. Wenn unser Evangelium keine „Gute Nachricht für die Armen“ ist, dann ist es nicht das Evangelium Jesu Christi (Lukas 4,18).
Darum lehnen wir ab: die Sprache und Politik jener Verantwortlichen, die die schwächsten Kinder Gottes erniedrigen und im Stich lassen. Wir bedauern aufs Äußerste die zunehmenden Angriffe auf Einwandernde und Geflüchtete. Mit Erschrecken nehmen wir wahr, dass die Zahl der Menschen stetig steigt, denen Teilhabe an zentralen gesellschaftlichen Gütern aufgrund ihres Einkommens nicht möglich ist, deren Kinder weniger Chancen auf Bildung haben. Wir wollen und sollen Lösungen finden, die die Erfahrung von Menschen aus verschiedenen politischen Richtungen, unterschiedlicher Herkunft und Weltanschauungen widerspiegeln, wie das Gemeinwohl zu fördern ist.
Gefährdete Demokratie und die Versuchungen von Kirche
Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist. (Römer 14,17)
Wir haben große Sorge um die produktive und menschenfreundliche Weiterentwicklung von Demokratie in Deutschland, Europa und der Welt, aber auch um unsere Kirchen und die Integrität unseres Glaubens. Die gegenwärtige angespannte Lage ruft uns auf, tiefer zu blicken – tiefer im Blick auf unsere Beziehung zu Gott, tiefer im Blick auf unsere Beziehungen untereinander, besonders über die Grenzen von Herkunft, ethnischen Zugehörigkeiten und Nationalitäten hinweg. Die Kirche erliegt immer wieder der Versuchung. sich den Mächtigen zu unterwerfen, sich kulturell anzupassen oder sich Trennungen in Ethnien, Klassen oder Geschlechter zu eigen zu machen. Wir wollen darauf mit der Grundlinie unserer Schrift(en) antworten: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene“ (Römer 12,1–2) Die beste Antwort auf politischen, materiellen, kulturellen, rassistischen oder nationalen Götzendienst ist das erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ (Exodus 20,3). Jesus fasste das größte Gebot so zusammen: „Dies ist das höchste und erste Gebot. Das andere aber ist dem gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten“ (Matthäus 22,38).
Wir bekennen, dass auch wir immer wieder zu bequem sind, Fragen nach unseren eigenen Verstrickungen in Gewalt und Machtstrukturen in den Gemeinden, Synoden und Gremien unserer Kirchen zu stellen. Wir wissen, dass wir zu wenig um die Frage ringen, in welcher Welt wir leben wollen. Wir meiden Konflikte – und deshalb hören wir zu wenig von den Abgründen in uns und unseren Mitmenschen. Wir haben es dringend nötig, in unsicheren Zeiten, von denen die Heiligen Schriften voll sind, in der Kraft des Geistes und im Ringen um die Bedeutung unserer Glaubenssätze aufzubrechen und umzukehren. Glaube, Liebe und Hoffnung sollen uns leiten in der Überwindung des Bedrückenden und im Aufbruch in die Freiheit der Kinder Gottes.