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Darum kritisieren Spanier die Teilnahme ihres Königs an KZ-Gedenken

In Spanien sorgt der geplante Besuch des Königspaars in Mauthausen für wütenden Protest. Hintergrund ist die jüngere Geschichte des Königshauses – vor allem die Frage, wie es wieder in seine Machtposition gelangte.

Königlicher Besuch in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen: Am Sonntag werden zum Gedenken an die Befreiung des NS-Konzentrationslagers durch US-Truppen vor 80 Jahren Spaniens König Felipe VI. und Königin Letizia in Österreich erwartet. Doch die Teilnahme des spanischen Königspaares stößt in ihrer Heimat bei Opfern der Franco-Diktatur auf Kritik.

Dabei gibt es zumindest auf den ersten Blick einen guten Grund dafür, dass der spanische Monarch als Staatsoberhaupt zusammen mit dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen an den Feierlichkeiten teilnimmt: Die rund 7.000 internierten Spanier stellten damals die größte Gruppe von Häftlingen im KZ Mauthausen und im benachbarten Konzentrationslager Gusen.

So sahen die am 5. Mai 1945 heranrückenden US-Truppen am Eingangstor des bereits von den SS-Einheiten verlassenen Konzentrationslagers als erstes ein Transparent mit der spanischen Aufschrift “Los antifascistas espanoles saludan a las fuerzas liberadoras” (“Die spanischen Antifaschisten begrüßen die Befreier”).

Bei den “Rotspaniern”, wie sie von den Nazis bezeichnet wurden, handelte es sich vor allem um Kommunisten, Sozialisten und Anarchisten, die im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) zur Verteidigung der Republik gegen den faschistischen Putsch-General und späteren Diktator Francisco Franco kämpften. Nach dessen Sieg flohen viele ins benachbarte Frankreich, um dort im Zweiten Weltkrieg gegen Hitler-Deutschland zu kämpfen.

Nach der Niederlage Frankreichs gab Diktator Franco Hitler und seinem Nazi-Regime grünes Licht, die insgesamt 15.000 gefangenen “Rotspanier” in Konzentrationslagern zu internieren. Die meisten kamen in die Lager von Mauthausen und Gusen. Die knapp 2.200 Spanier, die in den beiden NS-Konzentrationslagern auf dem Gebiet Österreichs überlebten, konnten aber auch nach ihrer Befreiung nicht zurück in ihre Heimat. Diktator Franco regierte das Land noch bis zu seinem Tod 1975 mit eiserner Hand. Die meisten gingen ins Exil nach Lateinamerika oder Frankreich.

Spaniens Könige wollen die KZ-Opfer und Überlebenden nun persönlich in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen würdigen und ehren. Doch der spanische Verband zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH) forderte das Königshaus in einem der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegenden Schreiben nun auf, die Reise nach Österreich abzusagen. Die Teilnahme der spanischen Könige am Gedenktag in Mauthausen sei ethisch und moralisch nicht vertretbar, weil die spanische Monarchie eine Hinterlassenschaft der Franco-Diktatur sei, hieß es.

ARMH-Vorsitzender Emilio Silva erinnert daran, dass Franco die spanische Republik abgeschafft und Juan Carlos I., den Vater des aktuellen Königs, 1969 zu seinem Nachfolger und König im Fall seines Todes ernannt hatte. “Die Bourbonen sind Könige von Francos Gnaden und weder Juan Carlos I. noch Felipe VI. haben die Franco-Diktatur und ihre Verbrechen jemals verurteilt”, sagte Emilio Silva der KNA. Deshalb sei es gegenüber den Opferfamilien ein Zeichen “fehlenden Respekts”, wenn nun die Könige in Mauthausen Spanien vertreten würden.

“Ein Staatsoberhaupt, das die Diktatur nicht verurteilt hat, kann nicht an einer Veranstaltung teilnehmen, bei der der Freilassung Tausender spanischer republikanischer Gefangener gedacht wird, die aufgrund Francos direkter Intervention in Nazi-Lager deportiert worden waren”, so der ARMH-Vorsitzende.

Der Streit um die Teilnahme der spanischen Könige an dem Gedenken in Mauthausen ist nur ein Beispiel dafür, wie schleppend die Aufarbeitung der Franco-Diktatur in Spanien vorankommt. Das habe vor allem mit dem Pakt des Schweigens und den Amnestiegesetzen für die Schergen der Franco-Diktatur zu tun, erklärt Agusti Colomines, Historiker an der Universität Barcelona. “Diese waren zwar notwendig, um die noch schwache Demokratie zu schützen, wie der Staatsstreichversuch Franco-naher Militärs 1981 zeigte. Doch in den vergangenen 20 Jahren hätte Spanien diesbezüglich mehr tun können.”

Tatsächlich waren es nicht die politischen Parteien, sondern Bürgerinitiativen wie der im Jahr 2000 gegründete ARMH, die damit anfingen, nach anonymen Massengräbern zu suchen, in denen bis heute noch Tausende Franco-Opfer vermutet werden. Vor allem die Konservativen von Oppositionsführer Alberto Nunez Feijoo und die Rechtspopulisten der Vox-Partei wollen “keine alten Wunden aufreißen”. “Das Problem aber ist, dass es unsere Wunden sind, die immer noch offen sind. Es sind die Wunden der Opferfamilien, die immer noch nach ihren Hinterbliebenen suchen”, sagt ARMH-Gründer Emilio Silva.

So ließ auch die Erinnerung an die spanischen Opfer in den NS-Konzentrationslagern lange auf sich warten. Mit dem Sozialisten Jose Luis Rodriguez Zapatero war zum 60. Jahrestag der KZ-Befreiung am 5. Mai 2005 zum ersten Mal ein spanischer Regierungschef in Mauthausen.