Predigttext
12 Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten. 13 Denn dass ich meine Fesseln für Christus trage, das ist im ganzen Prätorium und bei allen andern offenbar geworden, 14 und die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind umso kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu. 15 Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streitsucht, einige aber auch in guter Absicht: 16 diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur Verteidigung des Evangeliums hier liege; 17 jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten in meiner Gefangenschaft. 18 Was tut‘s aber? Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde mich auch weiterhin freuen; 19 denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi, 20 wie ich sehnlich erwarte und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod. 21 Denn Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.
Freut euch!“. Diese eindeutige Aufforderung wirkt in der Mitte der Passionszeit, in der wir an die Leidensgeschichte Jesu Christi erinnern, fast wie eine Zäsur. Grundsätzlich kann ich dieser Aufforderung gut folgen und bin ein fröhlicher Mensch. Ich glaube, dass vielen herausfordernden Situationen im Leben ein besonderer Zauber innewohnt. Ist dieser erkannt, dann kann es recht schnell hinausgehen aus dem Tal der schlechten Laune hin zur tragenden Freude.
Dennoch gibt es Zeiten, in denen Krankheit oder der Verlust eines geliebten Menschen Gefühle der Freude längerfristig verschütten. Auch die alltäglichen Nachrichten im Fernsehen aus entlegenen Regionen der Erde sind auf einmal sehr nah und lassen keine Freude zu. Eine unsichere persönliche Zukunft, der Verlust des Arbeitsplatzes … die Liste ließe sich noch verlängern.
In solchen herausfordernden Situationen greife ich gerne zu Murmeln. Sie wurden mir zum Ende des Studiums von jemandem für meinen weiteren Lebensweg mitgegeben. Verbunden war damit ein hilfreicher Gedanke des Beschenkenden, für den ich bis heute dankbar bin: Sie können trüb und blass wirken oder hell erstrahlen. Immer kommt es darauf an, wie man sie dreht und wie das Licht auf ihre Oberfläche trifft.
In schweren Lebensabschnitten versuche ich so seither symbolisch alles in ein anderes Licht zu rücken. Jede Situation hat wie jede Medaille zwei Seiten. Diese zweite Seite zeigt sich nicht immer sofort.
Auch Paulus ist im Predigttext in einer Situation, in der eigentlich kein Platz für Freude ist. In Gefangenschaft weiß er nicht, ob er noch einmal in Freiheit leben darf oder sterben muss. Alles ist möglich und die Ungewissheit groß, nachdem er zuvor das Evangelium verkündet hat.
Aber auch er schafft es, seine Situation im neuen Licht zu sehen. Er weiß, dass einige Menschen das Evangelium nur aus Eigennutz heraus verkünden und ihm damit Kummer bereiten wollen. Er stört sich keineswegs daran. Mehr noch, er erinnert sich an jene, welche gerade durch seine Gefangenschaft Stärke und Zuversicht durch die Verkündigung gewonnen haben und wendet das Blatt erneut. Er kann sich ganz auf den Beistand des Gottessohns verlassen und ist im Gebet durch ihn gestärkt. Selbst wenn ihn der Tod ereilen sollte, empfindet er eine tiefe und untrügliche Freude.
Diese tiefe Zuversicht und Freude im Glauben in dieser ausweglosen Situation des Paulus ist beeindruckend. Freude kann man nicht verordnen, sie gibt es nicht auf Rezept. Man muss sie wahrlich ins Herz geschrieben bekommen, und bei Paulus ist das sicher der Fall. Einige Menschen, denen ich alltäglich begegne, scheinen diese Art der Freude zeitweise nicht mehr zu empfinden. Sie wirkt eher wie ein Nebel, der Unerfülltheit und Traurigkeit verschleiert. Manchmal fällt es ihnen schwer, an Gott zu glauben, weil er Gebet um Gebet zumindest scheinbar nicht erhört hat und manch belastende Situation zulässt, ohne spürbar da zu sein.
Ich möchte Sie einladen, für sich auch einmal nach einem Ritual in schweren Zeiten zu suchen. Was kann Ihnen helfen leichter einen Perspektivwechsel zu vollziehen? Was brauchen Sie, um diesen dann spürbar zu erfassen? Wenn Sie für sich etwas gefunden haben, wünsche ich Ihnen herzlich, dass Sie so vielleicht leichter den Weg zur Freude finden, welcher durch einen festen Glauben getragen wird.