Burgdorf. So genau musste die Gemeinde noch nie auf die Zeit achten. Kein Lied darf zu lang sein, kein Text zu viel, denn dieses Mal hören nicht nur die Besucher vor Ort zu, sondern auch viele andere im Norden. Am Sonntag, 12. September, sendet NDR Info ab 10 Uhr einen Radiogottesdienst live aus der St.-Pankratius-Kirche in Burgdorf. Es ist zugleich der Gottesdienst zum Abschluss der diesjährigen Woche der Diakonie. Das Thema lautet „Armut“, die Predigt hält Sabine Preuschoff, Superintendentin und Vorstandsvorsitzende des Diakonieverbands Hannover-Land.
Im Februar haben sich die Mitwirkenden zum ersten Mal getroffen, damals noch per Videoanruf, und über die Gestaltung gesprochen. Ein gelungener Radiogottesdienst braucht einen roten Faden. In Burgdorf ist das ein Relief aus dem Kirchenraum. Es zeigt Jesu Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus und hing noch bis Ende der 1960er-Jahre am Armenhaus der Gemeinde. „Wo gehen sie hin, die Armen heute?“, wird die Diakoniebeauftragte des Kirchenkreises Burgdorf, Karin Lawrenz, im Gottesdienst fragen.
Mit dem Mikro auf der Straße
Für einen Radiogottesdienst könne man Stilmittel nutzen, die die Hörer bereits aus dem Radio kennen, etwa Hörspielelemente oder eine Lesung, die mit Musik untermalt ist, erklärt Vorwald. Am Sonntag wird das eine Straßenumfrage sein. Zwei Stunden lang haben Valentin Winnen, Pastor der St.-Pankratius-Gemeinde, und Karin Lawrenz in der Marktstraße in Burgdorf Passanten angesprochen und gefragt: Wo begegnet ihnen Armut? Was die Menschen sagten, nahmen sie mit dem Handy auf.
Gesichter der Armut
„Die Antworten fielen sehr unterschiedlich aus“, sagt Winnen. Burgdorf im Speckgürtel Hannovers ist relativ wohlhabend. Allerdings ist es auch eine Durchgangsstation für Menschen, die auf der Straße leben, erklärt Lawrenz. Die Diakonie betreut und berät viele wohnungslose Menschen oder solche, die von Wohnungsnot bedroht sind. Aufgrund der steigenden Mietpreise werden es immer mehr.
In der Predigt wird Sabine Preuschoff auf die verschiedenen Gesichter der Armut eingehen. Damit die Zuhörer am Radio gut folgen können, müssen die Sätze kurz sein und die Sprache bildhaft. Radiopastor Oliver Vorwald hat hier, wie auch bei den anderen Elementen des Gottesdienstes vermittelt, was für das Radio wichtig ist. „Das war eine ganz tolle, kollektive Zusammenarbeit“, sagt Preuschoff.
Der größte Feind der Radiomacher ist jedoch die Stille. „Wenn nichts zu hören ist, denken die Leute, es ist etwas kaputt“, sagt Vorwald. Deshalb darf es keine Pausen geben. Jeder Mitwirkende muss pünktlich am richtigen Mikrofon stehen.
Auf die Sekunde durchgeplant
Der gesamte Gottesdienst ist bis auf die Sekunde durchgeplant: drei Minuten für ein Lied, zwei Minuten und 30 Sekunden für eine Begrüßung, 20 Sekunden für die Ankündigung eines Liedes – so detailliert steht es im Ablaufplan. Exakt 56 Minuten darf ein Gottesdienst dauern. „Bis 10.57 sollte der Segen gesprochen sein“, sagt Vorwald.
Am Samstag wird der gesamte Gottesdienst schon einmal gefeiert. „Dann sehen wir, ob das hinhaut“, sagt Vorwald. Tut es das nicht, kann man noch einmal ein Vorspiel kürzen, einen Text überarbeiten oder eine Liedstrophe streichen.
Hörertelefon klingelt lange
Für die Zuhörer wird nach dem Gottesdienst ein Hörertelefon freigeschaltet. „Das klingelt in der Regel sehr lange“, sagt Vorwald. Zwei Stunden wird Sabine Preuschoff dort Anrufe entgegennehmen. „Darauf bin ich schon sehr gespannt“, sagt sie.
„Ich empfinde die Radiogottesdienste als großes Geschenk“, sagt Vorwald. Gerade in der Pandemie habe man damit den Zuhörern einen verlässlichen Gottesdienst bieten können – auch wenn das bedeutete, dass er aufgrund der strengen Auflagen mit nur vier Beteiligten in einer leeren Kirche gefeiert wurde.