Halleluja. „Well, maybe there’s a God above“, sang Laura Domann, mit Anmut, Coolness und Stimmgewalt zugleich. „Mag sein, dass es einen Gott da über uns gibt.“ Bischof Christian Stäblein war angetan wie alle im Publikum vom berühmten Leonard-Cohen-Song und dem Vortrag der Sängerin. Eineinhalb Stunden später setzte sich ihre Schulkameradin Hermine Müller ans Klavier und sang überzeugend „Lost in Paradise“, einen klagenden Rocksong der amerikanischen Band Evanescence aus den 2010er Jahren. „Und jetzt bin ich verloren im Paradies“, so eine Zeile. Publikum und Bischof waren fasziniert.
Wohl mit Absicht hatten die Songs biblische Bezüge, das Halleluja, der Glaubenszweifel, das verlorene Paradies. Denn sie rahmten am vergangenen Dienstag eine kritische Talkrunde mit Bischof Stäblein in der Schulaula des Bohnstedt-Gymnasiums in Luckau ein, einer Kleinstadt in der Niederlausitz. Interviewpartner Marek Zillmann und Oliver Grote, Schüler des Gymnasiums, nahmen den Bischof wie zwei Kommunikationsprofis in die Zange. Sie entlockten ihm teils unerwartete Auskünfte über Glauben und Zuversicht, über Kirchenpolitik und seine etwas verzweifelte Liebe zum Fußballclub Hannover 96. Stäblein gab Antworten zum Bischofsgehalt („rund 10000 Euro im Monat, ist völlig transparent, könnt ihr im Internet nachlesen“), nach seinen Routinen (dienstags Gremiensitzungen, donnerstags Homeoffice), der Familie („vier Jungs, drei sind schon aus dem Haus“), nach der Arbeit als „Flüchtlingsbischof“ und wie er den Mitgliederschwund der Kirchen bewertet („bedrückend, aber dazu verpflichtend, uns etwas einfallen zu lassen“).
Neugier und milde Provokation
Bischof Stäblein besuchte die „Religionsphilosophische Woche“, die dieses Jahr den 30. Geburtstag feierte. Eine Erfolgsgeschichte, ermöglicht durch die Landeskirche. Arbeitsgruppen waren gut bis sehr gut besucht. Neugierige Fragen an Experten, milde Provokationen und sogar berufspraktisches Interesse war von den Schülerinnen und Schülern der 11. Klassen des Gymnasiums zu hören, die sich an der Projektwoche beteiligten.
Während einer Woche setzen sich die Jugendlichen statt des regulären Unterrichts mit Weltreligionen, philosophischen und ethischen Fragen auseinander. Mit Erfolg hatte Renate Nowotnick die „Religionsphilosophische Woche“ in den vergangenen beiden Jahrzehnten organisiert und befeuert – für ihre Verdienste wurde der pensionierten Luckauer Gymnasiallehrerin und engagierten Protestantin großer Beifall gespendet, unter anderem von ihrer Nachfolgerin Aline Chille.
Was diese Woche so anziehend macht, ist ihr Praxisbezug, der es nicht zulässt, dass ständig nur von Kirchenvater Augustinus oder Kant, dem Philosophen der Aufklärung, die Rede ist. Sondern von der Vielfalt des religiösen oder nichtreligiösen Lebens – beispielhaft untersucht während einer Tagesexkursion nach Berlin, zu der seit mehreren Jahren der Besuch von Moscheen, buddhistischen und hinduistischen Tempeln gehört, von Synagogen, dem Jüdischen Museum, evangelischen und katholischen Kirchen, Bahnhofs- und Stadtmission.
„Die gehören nicht ins Gefängnis“
Der vergangene Dienstag stand – wie immer an diesem Tag der Projektwoche – im Zeichen des Christentums. Zu Gast war zum Beispiel der evangelische Pfarrer Frank Fechner, Gefängnisseelsorger in der nahe gelegenen Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben. Viele der Insassen dort sitzen lange Haftstrafen ab. Es gibt aber auch Frauen und Männer, die im Zusammenhang mit Drogendelikten inhaftiert sind. Manche sind in Haft, weil sie „Schwarzfahrer“ waren, die keine Strafgebühr zahlen konnten – „die gehören nicht ins Gefängnis“, sagte Fechner, und seine Zuhörerinnen stimmten zu. Pfarrer Fechner arbeitet mit einer katholischen Theologin im Team. Die Zuhörerinnen erfuhren vom bedrückenden Alltag im Knast, fern von der Familie und stets am Rand von Sinn- und Überlebenskrisen – viel Arbeit für engagierte und erfahrene Seelsorger. Intensiv wurde zum Schluss über Alternativen zum Strafvollzug debattiert.
Im Treppenhaus trafen sich dann alle mit den Schülern, die sich um Nadine Graßmel versammelt hatten. Sie leitet das Hospiz des Krankenhauses in Luckau, wo Schwerstkranke und Sterbende versorgt werden, auch von ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Eine Schülerin berichtete in der Gruppe bewegt darüber, wie gut es ihrer Großmutter im Hospiz ergangen sei und wie dankbar ihre Familie dafür ist. Andere fragten, ganz praxisorientiert, nach Praktikumsplätzen oder Jobs in der Hospizarbeit – es kann also gut sein, dass die „Religionsphilosophische Woche“ in Luckau auch dafür einen Anstoß gegeben hat. Halleluja.