Kinderehen als Weg aus der Not: Hungernde Familien in Krisenstaaten sehen in der Heirat Minderjähriger eine Chance. Das Kinderhilfswerk World Vision ruft zum Gegensteuern auf – mehr Hilfe reicher Länder ist gefordert.
Mehr Schutz vor Hunger fordern Expertinnen des internationalen Kinderhilfswerks World Vision – gerade mit Blick auf Kinder. Weil mehr Menschen unter existenzieller Not leiden, führt das zu mehr Zwangsehen im Kindesalter und zu mehr Kinderhandel, erklärte die Organisation am Donnerstag im hessischen Friedrichsdorf. Anlass ist ein neuer Bericht über die Finanzierung humanitärer Hilfe für vom Hunger betroffene Länder.
Laut dem World-Vision-Bericht kürzen aktuell zahlreiche Hilfsorganisationen wegen fehlender Gelder die Lebensmittel-Rationen; als Folge nehmen Kinderheirat und Kinderarbeit deutlich zu. “Der Bericht zeigt die verheerenden Folgen von Rationskürzungen”, sagte Ha-na Schulz, Referentin für humanitäre Hilfe. Sie beschreibt Kinderheirat und Kinderarbeit als eine Überlebensstrategie betroffener Familien.
World Vision hatte für den Bericht mit Betroffenen in sechs Ländern gesprochen; darunter sind Afghanistan, Demokratische Republik Kongo und Libanon. Fast ein Drittel der befragten Eltern sind demnach der Meinung, dass der Mangel an Essen für viele Mädchen zur Kinderheirat führt – in Afghanistan sind es sogar 97 Prozent der befragten Eltern.
Die Hilfsorganisation macht für diese Situation weltweite Kürzungen bei der humanitären Hilfe verantwortlich. Während Kinder in den untersuchten sechs Ländern vor den Kürzungen im Durchschnitt zwei Essen pro Tag hatten, so hatten laut World Vision die meisten Familien im Januar 2024 nur eine oder gar keine Mahlzeit am Vortag gegessen.
“Die Staats- und Regierungschefs der Welt müssen dringend ihre Bemühungen um die Beilegung von Konflikten und die Bewältigung der Folgen des Klimawandels beschleunigen und den betroffenen Kindern und Familien die notwendige humanitäre Unterstützung zukommen lassen”, sagte World Vision-Vertreterin Mary Njeri. Im 21. Jahrhundert solle niemand mehr hungern müssen.