Berlin. Mehr als eine Woche nach der Bundestagswahl hält die Debatte um das gute Abschneiden der AfD im Osten der Republik an. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte Schuldzuweisungen an ostdeutsche Wähler. Manche Kommentare von Menschen aus dem Westen hätten ihn wirklich erschreckt, sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten in der Talkrunde "Die richtigen Fragen" auf "Bild.de".
Ostdeutschland dürfe nicht allein als Problemgebiet dargestellt werden. "Man muss mit Respekt miteinander umgehen", sagte der bayerische Landesbischof. Der Westen müsse wahrnehmen, wie ganze Lebenspläne in Ostdeutschland "über den Haufen geworfen" worden seien. In der Auseinandersetzung mit den Rechtskonservativen und deren Anhängern forderte Bedford-Strohm zugleich "klare Kante" gegenüber Rassisten und Antisemiten. Nationalsozialistisches Gedankengut dürfe in Deutschland nicht wieder salonfähig werden.
Kein Problem des Ostens
Auch die amtierende Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) warnte davor, den Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl als Problem des Ostens zu bewerten. "Natürlich ist das Ergebnis der Bundestagswahl schmerzlich. Aber ich halte es für verfehlt, daraus eine Debatte zu machen, ob der Osten und der Westen richtig zusammengewachsen sind", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Für den Aufstieg der Rechtspopulisten gebe es keine eindimensionalen Erklärungen.
Als mögliche Gründe nannte Dreyer Abstiegsängste und das Gefühl vieler Menschen, nicht mehr Schritt halten zu können mit den schnellen Entwicklungen der Gesellschaft und den Auswirkungen der Globalisierung. Wieder andere hätten keine Aussichten auf feste Jobs und gute Renten.
Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Staates in der Fläche hin. "Wo der Staat nicht mehr präsent ist, werden die zwangsläufig entstehenden Lücken von Kräften besetzt, die nichts Gutes im Schilde führen." Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit seien nach wie vor eine ernste Bedrohung des sozialen Friedens und der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland.