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Bauen gegen den Klimawandel

So könnte das Bauen der Zukunft aussehen: Am Computerbildschirm wird ein Iglu-förmiges Gebäude Stück für Stück konstruiert. Anschließend sägen riesige Roboter jedes einzelne Bauteil aus. Diese Vision ist auf dem Campus der Universität Freiburg schon Wirklichkeit geworden. Dort steht die „livMatS Biomimetic Shell“, ein Forschungsbau, der dank biometrischer Holzleichtbauweise einen um die Hälfte reduzierten ökologischen Fußabdruck gegenüber herkömmlichen Holzkonstruktionen aufweist.

Dieses experimentelle Gebäude der Stuttgarter Architekten Achim Menges und Jan Knippers ist eines von rund 80 zukunftsweisenden Bauprojekten, welche die Bundeskunsthalle in Bonn bis zum 25. Januar 2026 präsentiert. Die Ausstellung mit dem Titel „WEtransFORM“ beschäftigt sich mit Gestaltungsprinzipien für eine klimagerechte Erneuerung der Baukultur. Hintergrund ist der „Green Deal“, ein politisches Projekt der EU-Kommission, das vorsieht, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Ohne einen Wandel im Bereich Bauen und Wohnen scheine dieses Ziel unerreichbar, heißt es in der Ausstellung. Denn 40 Prozent der CO2-Emmissionen entstehen durch die Errichtung und Nutzung von Gebäuden, erfahren Besucherinnen und Besucher am Eingang der Ausstellung auf einer Projektion mit Bildern und Fakten.

„Auch wir als Kulturinstitution haben die Aufgabe, dieses Thema aufzugreifen“, erklärt die Intendantin der Bundeskunsthalle und Co-Kuratorin der Schau, Eva Kraus. „Die Ausstellung ist ein Beitrag zu den Herausforderungen der Gegenwart“, ergänzt Co-Kurator Sven Sappelt. Die Bundeskunsthalle hat sich für die Ausstellung das New European Bauhaus, eine kulturpolitische Initiative der EU-Kommission, sowie das Verbundprojekt transform.NRW als Partner ins Boot geholt.

Die Ausstellung stellt vielfältige Lösungsvorschläge für die beiden großen Herausforderungen des Bauens und Wohnens in Zeiten des Klimawandels vor: Wie können sich die Städte an die Auswirkungen höherer Temperaturen und heftigerer Niederschläge anpassen? Und wie lässt sich der ökologische Fußabdruck des Bausektors deutlich reduzieren?

Ein Beispiel für die Klima-Anpassung ist das Glasner Haus im Ahrtal. Dort wurden 2021 zahlreiche Häuser durch die Flutkatastrophe zerstört. Der Architekt Florian Wertweck entwarf ein Haus, dessen Bauweise an mögliche Überflutungen angepasst ist. Es steht auf einem Sockel, dessen metallene Schiebetüren im Falle einer Flut geöffnet werden können, so dass das Wasser hindurchfließt. Andernorts ist Dürre die große Herausforderung. Das Rambla Climate House in der Region Murcia in Spanien zeigt, wie Regenwasser aufgefangen und Nutzwasser wiederverwertet werden kann.

Wie können wir künftig ressourcenschonender bauen? Mit dieser Frage hat sich unter anderem die Architektin Anna Heringer beschäftigt. Sie griff auf den traditionellen Baustoff Lehm zurück. Auf dem Campus St. Michael in Traunstein baute sie im Auftrag der katholischen Kirche den ersten tragenden modernen Lehmbau in Deutschland.

Die Ausstellung geht auch der Frage nach, wie vorhandene Ressourcen besser genutzt werden können. Der Abriss alter Gebäude geht mit einem gewaltigen Verlust von Material und Energie einher. Dass es auch anders geht, zeigt die Umnutzung des ehemaligen World Trade Centers in Brüssel. Die in den 1960er Jahren erbauten acht sterilen Hochhäuser galten als Fehlplanung. Statt eines Abrisses erprobten eine Vielzahl von Organisationen dort neue Nutzungsmöglichkeiten. Heute befinden sich in den Bauten neben Büros auch Wohnungen, ein Hotel, Restaurants, Sportanlagen und Grünflächen.

Dass sich Nachhaltigkeit auch bei kleinen, privaten Bauprojekten lohnen kann, zeigt die Neugestaltung eines alten, engen und unansehnlichen Hauses im flämischen Dorf Melden. Selbst eine alte Scheune kann im neuen Glanz erstrahlen. Das österreichische Architekturbüro graupenraub+/- schuf aus den Brettern des baufälligen Schuppens einen geräumigen neuen Hühnerstall.

Die Ausstellung stellt auch Experimente mit neuen, nachhaltigen Materialien vor, die die Zukunft des Bauens verändern könnten. Im Foyer der Bundeskunsthalle zeigt zum Beispiel die Installation „Tree.ONE“ des Design-Büros ecoLogicStudio, wie aus Algen ein Baustoff entsteht. Es handelt sich um einen synthetischen Baum, der aus Biopolymeren auf Algenbasis im Druckverfahren hergestellt wurde. Das nachhaltige Baumaterial entsteht durch Mikroalgen, die Kohlendioxyd aus der Luft aufnehmen und in Biomasse umwandeln.

Die Bundeskunsthalle eröffnet die Ausstellung am Freitag und Samstag mit einem Festival zu nachhaltiger Architektur und Stadtentwicklung, unter anderem mit dem Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber.