Chimamanda Ngozi Adichie gilt als eine der großen Stimmen der Weltliteratur. Ihr neuer Roman erzählt vom weiblichen Ringen um Selbstbestimmung. Warum sie sich dafür ein größeres Bewusstsein wünscht.
Chimamanda Ngozi Adichie (47), nigerianische Schriftstellerin, hält das Thema Kinderwunsch in der Literatur für unterrepräsentiert. Dabei sei es “ein existenzieller Teil des Frauseins”, sagte die preisgekrönte Autorin dem Magazin der “Süddeutschen Zeitung” (Freitag). Dies werde auch so bleiben, “vor allem heute, wo Frauen oft später Kinder bekommen”. Zugleich stelle ein Kinderwunsch in vielen Fällen “einen enormen emotionalen Ballast” dar, und auch darüber solle mehr geschrieben werden.
Die Biologie sei lange missbraucht worden, um “Frauen kleinzuhalten, sie zu kritisieren und zu karikieren”, kritisierte die Autorin, deren Roman “Dream Count” soeben erschienen ist. “Wir wissen, dass Frauen gute Mütter sein und Karriere machen können, aber es ist auch wichtig, über die Schattierungen und Schwierigkeiten zu sprechen, die damit einhergehen, weil sie ebenfalls Teil der Wahrheit sind.”
Bevor sie selbst Mutter geworden sei, habe sie heimlich Frauen verurteilt, die für ihre Kinder zurücksteckten, sagte Adichie. “So denke ich nicht mehr. Ich glaube, dass eine große Kraft daraus erwachsen kann, sich für seine Kinder zu entscheiden.” Zugleich seien Themen wie Schwangerschaft, Geburt oder hormonelle Veränderungen noch immer schambehaftet: “Wir leben in Gesellschaften, die uns davon überzeugt haben, dass Probleme, die nur Frauen betreffen, weniger wichtig sind und es sogar frivol sein könnte, über sie zu sprechen.” Es sei wichtig, sich diese Prozesse bewusst zu machen.
Adichie äußerte sich auch zur gesellschaftspolitischen Lage der USA: Man lebe dort derzeit “im permanenten Ausnahmezustand.” Die Trump-Regierung kleide “ihre Politik in die Sprache des Patriotismus, aber nichts von dem, was sie macht, zeugt von Liebe für ihr Land. Wer sein Land liebt, geht nicht so rücksichtslos mit ihm um.” Für sie sei das heutige Amerika mit afrikanischen Ländern vergleichbar, “in denen sich einige Männer die Regierungsämter kaufen können”.
Sie habe sich immer gefragt, warum die meisten Menschen die Machtergreifung Adolf Hitlers einst “so unbeteiligt” verfolgt hätten, sagte die Schriftstellerin. “Aber es scheint Teil der menschlichen Natur zu sein, im Angesicht tiefgreifender politischer Veränderungen stillzuhalten, jedenfalls fürs Erste.”