Eine Ausstellung informiert über die politische Überwachung und Verfolgung an der Rostocker Universität nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Ende der DDR. Die Schau „Geknebelter Geist“ ist bis zum 4. April zu sehen. Sie soll die bisherige Lücke in der über 600-jährigen Geschichte der Universität Rostock schließen, hieß es bei der Eröffnung am Montag Abend. Sowohl auf Schautafeln im Konrad-Zuse-Haus auf dem Campus als auch vertiefend im Internet wird über die politische Überwachung und Verfolgung der Alma Mater der Hansestadt informiert.
Altbundespräsident Joachim Gauck, der selbst in Rostock studierte, hat an der Eröffnung teilgenommen. „Es ist total wichtig, dass wir uns vor Augen führen und historische Beispiele aneignen, dass wir immer eine Wahl haben“, sagte Gauck. In einer Diktatur gebe es nicht jede Wahl, aber jeder könne für sich entscheiden, widerständig zu sein. „Wir sehen hier verschiedene Beispiele von unterschiedlich geprägten Personen aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft, die diesen Weg der Wahrheit und auch des Widerstehens gesucht und dafür zum Teil bitter bezahlt haben.“
Angeregt wurde diese Ausstellung vom 2021 verstorbenen ehemaligen Universitätsrektor Günther Wildenhain. Ihm wie auch anderen war aufgefallen, dass in der großen Jubiläumsausstellung 2019 die Zeit von 1945 bis 1989/90 nur allgemein und lückenhaft dargestellt worden war. Seiner Ansicht nach fehlte die Darstellung, wie die SED und in deren Folge auch das Ministerium für Staatssicherheit die gesamte Universität durchdrang. Wildenhain und Kollegen verschiedener Fachrichtungen unterbreiteten daraufhin dem damaligen Rektor Wolfgang Scharek den Plan, eine ergänzende Ausstellung zu erarbeiten.
Zum Autorenteam der ergänzenden Ausstellung gehörten unter anderem Volker Höffer, Leiter des Stasi-Unterlagen-Archivs Rostock, und Michael Niemann, emeritierter Professor für Altes Testament. Niemann beschäftigte sich insbesondere mit der Überwachung der Katholischen und Evangelischen Studentengemeinde (KSG/ESG). Unter der Überschrift „Feindlich negativ“ hat er dokumentiert, wie Studierende für Spitzeldienste erpresst oder eingeschleust wurden. Insgesamt habe es demnach in den 80er-Jahren bis zu 20 inoffizielle Mitarbeiter der Stasi in der ESG gegeben. Bei der KSG sei es der Stasi dagegen schwerer gefallen, einzudringen. Wohl wegen des besonderen, recht geschlossenen Milieus, vermutet der Theologe.
Eindrücklich sei der Fall einer Studentin, die bereits als Oberschülerin von der Stasi angeworben und dann in die Theologische Fakultät eingeschleust wurde. „Kein damaliger Fakultätsangehöriger, mit dem ich darüber sprechen konnte, hatte geahnt, dass sie als IM Giseler fast neun Jahre eine extrem fleißige und aktive inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit war und zehn Aktenordner mit Hunderten und Aberhunderten von Blättern Berichten geliefert hat“, erzählt Niemann. Nach Plänen der Stasi sollte sie in die Landeskirche Greifswald eingeschleust werden. Dies sei durch die Friedliche Revolution vereitelt worden.