Die Bibliothek der Technischen Universität Ilmenau zeigt ab Dienstag eine Ausstellung zu einem bislang unbekannten Kapitel der Geschichte des Mittleren Thüringer Waldes. In Texten und Bildern werde die Zwangsausweisung aus dem Jahr 1852 von Einwohnern aus dem kleinen Dorf Böhlen im südlichen Ilm-Kreis nach Brasilien aufgearbeitet, teilte die Hochschulleitung in Ilmenau mit.
Damals seien insgesamt 152 Bürgerinnen und Bürger auf Veranlassung ihres Landesherren Fürst Günther Friedrich Carl II. von Schwarzburg-Rudolstadt (1801-1889) als Sklavenersatz nach Brasilien geschickt worden. Vorausgegangen seien der Abschiebung der Untertanen soziale Unruhen von Kleinhandwerkern, die im Zuge der Industrialisierung der Wirtschaft ihre Existenzgrundlage verloren hatten.
Die Ausstellung berichtet auch von den Recherchen der beiden Ortshistoriker Hans-Günther Schneider und Dieter Lange, die diese Geschichte seit 1997 akribisch aufgearbeitet haben. Ein Besuch bei Nachfahren der verstoßenen Böhlener habe 2002 Gewissheit gebracht. In Orten wie Águas Mornas und Segunda Linha im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina stießen die Historiker auf Kaffeepflücker, die noch heute einen unverfälschten Dialekt des Heimatdorfes ihrer Vorfahren sprachen.
Ihre Herkunft sei den Brasilianern nicht mehr bewusst gewesen. Ihre Sprache gaben sie laut Lange und Schneider mit „kaffeepflückerisch“ an. Von der Geschichte ihrer Vorfahren sei ihnen so gut wie nichts bekannt gewesen. Und auch in Böhlen sei dieses Kapitel der Dorfgeschichte erst durch die Forschungen der beiden Heimatkundler bekannt geworden.