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Gelbe Karte für die Synode

Was mir Schnappatmung bescherte – ein persönlicher Einblick.

Norbert Neetz

Magdeburg – Leere Sitzreihen, alle ausgeflogen: Mittagspause bei der EKD-Synode in Magdeburg. Das ist DIE Gelegenheit, schnell was loszuwerden, was mir schon seit drei Tagen aufs Gemüt drückt: die eigenartige Atmosphäre hier. Echt grenzwertig.

Damit meine ich NICHT die Stimmung unter den Synodalen, nein bloß nicht. Die scheint prima zu sein. Alle lächeln sanft; das ist ein gutes Zeichen, vermute ich.
Nein. Es ist die Luft im Saal 1, die einem hier zusetzt.

Man kennt das: 200 Leute denken, reden, atmen. Da wird der Sauerstoff schnell zur Mangelware. Vor allem, wenn die Lüftung offenbar nicht nachkommt. Folge: Rote Wangen. Konzentrationsmangel. Glasige Augen.

Dabei ist der Saal sonst ganz … äh, was ist er eigentlich? Nun ja, zumindest sehr groß. Da würde die Halle, in der ich hin und wieder mit meinen Kumpels zum Fußballzock auflaufe, locker drei mal reinpassen (wir spielen allerdings auch nur 4 gegen 4). 

Vorn eine erhöhte Bühne mit Riiieesen-Leinwand (gefühlt größer als der Pool im Hotel, in dem sich morgens ab sieben tatsächlich einige Synodale auf den Tag vorbereiten). Davor der Tisch für die sieben Präsidiumsmitglieder. In der Mitte sitzt natürlich die Chefin der Synode, Präses Irmgard Schwaetzer aus Berlin, die frühere Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Ganz rechts außen (das klingt jetzt gefährlicher, als es ist) das Rednerpult (tatsächlich ist die Perspektive ja LINKS AUSSEN, wenn man erst mal da oben steht).
Aus mir unerklärlichen Gründen meint man offenbar immer noch, nicht auf den Blumenschmuck vor diesem Rednerpult verzichten zu können. Ein Gebinde aus rot und gelben Herbstfarben, ein bisschen Grün dazwischen. Wenn die Präses dahintersteht, verschwindet sie bis zur Hüfte komplett hinter Blumen. Was nicht so schlimm wäre, wenn das Ganze nicht fatal an Grabschmuck erinnern würde. Die Kameraleute von ARD und ZDF verdrehen regelmäßig die Augen – nix zu machen; scheint eine Institution zu sein.

Das Schema, nach dem hier die Arbeit abläuft ist ungefähr folgendes: Vortrag/Einbringung/Bericht. Darauf folgen Rückfragen bzw. die Gelegenheit zur Diskussion. Oft kommen dann Anträge. Ab sofort haben auch die Jugenddelegierten Rederecht, sie müssen nicht mehr von einem „ordentlichen“ Synodalen vorgeschlagen werden. Einer der jungen Menschen nutzt das gleich, um schneidig zu beantragen, die Synode möge sich konsequenter um die vor zwei Jahren beschlossene Umsetzung digitaler Strategien kümmern. Na prima, mag sich da mancher Synodaler gedacht haben. (Achtung: VERMUTUNG! Keine Tatsachenbehauptung.)

Gelbe Karte für Synodale

Über die Anträge muss dann abgestimmt werden. Dazu haben die Synodalen gelbe Karten auf den Tischen liegen, die sie in Höhe halten, wenn sie dafür sind oder dagegen (je nachdem, wie die Fragestellung ist). Da Gesetze und Bestimmung meist in mehreren Lesungen vorgetragen werden müssen, kann sich das ziehen – über Tage.

Auch nach dem Abendessen geht es weiter mit Beratungen, Ausschüssen, Arbeitsgruppen. Und wenn die Uhr dann 22 zeigt, folgen Empfänge – Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU an einem Abend, am nächsten die SPD. Die ganz Harten hören auch danach nicht auf, sondern sondieren, loten aus, netzwerken bis tief in die Nacht (kein Scherz, habe ich selbst erlebt). Kein Wunder, dass da einige morgens den Swimmingpool im Kongresszentrum brauchen, um wieder klar zu werden.
Für heute, Dienstag – streng genommen wird es dann ja schon Mittwoch sein – haben sich die Synodalen etwas Außerordentliches vorgenommen: Einer der Säle bleibt die ganze Nacht über geöffnet. Wer mag, kann die Wahl zur US-Präsidentschaft live bei einer „Pyjama-Party“ auf Großleinwand verfolgen. Das Interesse war überwältigend. (Ich werde nicht dabei sein, versprochen. Habe auch keinen Pyjama mit.)

So, jetzt klingelt’s. Andreas Lange, Superintendent der lutherischen Klasse aus dem lippischen Lemgo und Mitglied des Präsidiums der EKD-Synode, zieht mit dem Glöckchen durch die Hallen: Aufruf, wieder ins Plenum zurückzukehren. Es geht weiter; ich muss jetzt aufhören und weiterarbeiten.

Im Video: Ein kurzer Blick in das Kongresszentrum