Eine Arte-Dokuserie zeigt so eindrucksvolle wie vielfältige Tier- und Naturaufnahmen aus ganz Europa, einerseits. Andererseits zeugt ihre Machart von einem Problem Europas.
Die Natur- und Tieraufnahmen der fünfteiligen Doku-Serie “Faszination Europa” faszinieren tatsächlich: Wenn Steinadler durch die Lüfte segeln und man in ihre Augen sieht, wenn Welse aus Flüssen heraus Tauben jagen, wenn zurückkehrende Rosa-Pelikane im Donaudelta landen oder Würfelnattern an Staustufen der slowakischen Nitra auf Fische lauern. Diese Jagdtechnik sei noch nie zuvor gefilmt worden, erfährt man.
Sogar Grottenolme und Braunbären sind – neben vielen weiteren Gattungen – zu sehen. Die fünf 45-minütigen Folgen machen sich alle Vorteile der rasanten technischen Entwicklungen zunutze. Sie zeigen mit Drohnenaufnahmen großartige Landschaften von oben und folgen Tieren aller Arten und Größen unbemerkt mit offenbar kleinsten Kameras.
Der gemeinsame Nenner all dieser Schauplätze und Tiere besteht darin, dass alles in Europa gefilmt wurde. Dabei springt der Film assoziativ von einer Ecke des Kontinents an eine völlig andere, etwa vom westlichsten Punkt bei den Azoren, wo “das größte Lebewesen, das je gelebt hat”, der Blauwal, von Delfinen begleitet durch den Atlantik schwimmt, nach Island und bald darauf in den Kaukasus. Insgesamt wird eher an Europas Rändern gefilmt als in der Mitte. Deutschland ist in der deutschen Produktion nur einmal kurz vertreten, mit fünfzehn Luchsfamilien im Bayerischen Wald.
Außer schönen Aufnahmen kommen auch akute Probleme zur Sprache und regen sozusagen dialektisch zum Weiterdenken an. So erfährt man, dass Lawinen in den Alpen seit jeher normal sind, jedoch durch unvorsichtige Skifahrer und Klimawandel verstärkt werden – ähnlich wie Feuer in südeuropäischen Wäldern eigentlich einen “natürlichen Prozess” darstellen, den der menschgemachte Klimawandel jedoch drastisch verschärft.
Hingegen herrsche, vermutet der Off-Kommentar, im portugiesischen Bibliotheks-Palast von Mafra seit Jahrhunderten eine “stille Übereinkunft zwischen Mensch und Fledermaus”: weil letztere die Käfer verzehren, die die kostbaren Bücher anfressen wollen. An der Maas schildert der Kommentar, wie schwer es die Biber dort lange wegen der Schwerindustrie hatten, die “ganze Ökosysteme zerstört” hat. Inzwischen sind die Biber zurückgekehrt, während die europäische Schwerindustrie vom Aussterben bedroht ist.
Dennoch: Spätestens über den schneebedeckten Wipfeln im Kaukasus würde man, gerade wegen des konsequenten Europa-Ansatzes, selbst in geopolitisch entspannteren Zeiten gerne mehr über die Gegenwart des Kontinents hören. Etwa, wie genau Europas Grenzen definiert sind, und über welche sechs Länder sich das Gebirge erstreckt. Das flächengrößte europäische Land, Russland, kommt offenkundig und aus nahe liegenden Gründen nicht in der Serie vor.
Die Ukraine ist mit dem Donaudelta (also den Rosa-Pelikanen) dabei. Ein paar Worte über den seit Jahren tobenden Krieg wären in einer aktuellen Produktion eines europäischen Senders schon sinnvoll gewesen. Und sei es zur Frage, wann die Aufnahmen entstanden sind und wo aus guten Gründen nicht gefilmt werden konnte. Der Off-Kommentar kann ja auch dazu dienen, Sachverhalte, die die Bildebene nicht zeigt und nicht zeigen möchte, zu benennen.
Und damit zum Wermutstropfen von “Faszination Europa”, der gehörig tropft und weniger das Ansehen als das Anhören zu einem zweischneidigen Vergnügen macht. Den Off-Kommentar interpretiert der bekannte Schauspieler Benno Fürmann im Christian-Brückner-Stil, also auf die emotional raunende Art, durch die der vor allem als De-Niro-Synchronsprecher bekanntgewordene Brückner den Off-Kommentar zum dominanten Doku-Element machte. Und Fürmann spricht ziemlich pausenlos.
Sicher gibt er immer wieder interessante Infos. Doch auf die Dauer wirkt vieles verzichtbar. Manches ist eher banaler Smalltalk aus Angst vor Stille: “Doch das Paradies hat auch Schattenseiten”.
Auf der Bildebene zeigt “Faszination Europa” imposant, was für eine Vielfalt Europa auf vergleichsweise wenig Raum zu bieten hat. Das Zuviel an Pathos, das die Tonebene hinzufügt, macht daraus ohne Not eine ungeschickt plumpe Selbstvergewisserung – wie sie zum Europa im Jahr 2025 leider passt.