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Annäherungen an den “Waidler”

Allein die Zahl ist schon beeindruckend: 8000 Ansichtskarten zum Bayerischen Wald sind in drei Generationen zusammengekommen und liegen seit 2023 im Archiv des Hauses der Bayerischen Geschichte. Die Zahl zeugt auch vom Selbstbewusstsein der Menschen in einer Region, die sich ungefähr von Regensburg bis Passau und von der Donau bis zur tschechischen Grenze erstreckt. 50 ausgewählte Ansichten präsentiert die neue Fotoausstellung „Menschen im Bayerischen Wald 1900 bis 1950“ jetzt im Foyer des Hauses der Bayerischen Geschichte in Regensburg.

Es sind großformatige Reproduktionen von Postkarten und Fotos. Sie zeigen Szenen des Lebens, in dessen Mittelpunkt der „Waidler“ selbst steht. Neben Porträts der Menschen sind Ortsansichten zu sehen oder Fotos, die für die Lebensweise in der Region typisch sind.

Eine Ansichtskarte von Perlesreut im Landkreis Freyung-Grafenau beispielsweise zeigt den Laden des Uhrmachers und Goldwarenhändlers Anton Bogenstätter samt Familie. Im Schaufenster sind große Wecker, goldene Uhrenketten und diverse Taschenuhren zu sehen. Trotz der Grenznähe schien das Geschäft zu florieren. „Bogenstätter gründete 1901 in Perlesreut eine Schnupftabakfabrik, die er 1915 nach Grafenau verlegte, die überregionale Bedeutung erlangte und bis 1974 bestand“, kommentiert Museumsdirektor Richard Loibl, der die Schau ausgewählt hat. Loibl ist selbst ein bekennender Waidler aus dem niederbayerischen Hengersberg.

Der Kern der Sammlung gehe auf den 1891 in Tittling bei Passau geborenen Schriftsteller Max Peinkofer zurück, erläutert Loibl. Dieser hatte 1924 die Beilage „Heimatglocken“ der Passauer Donauzeitung begründet und war wegen einer NS-kritischen Kolumne von den Nazis eingesperrt worden. Wichtig sei Loibl bei der Auswahl der Exponate gewesen: Dass sie mit einigen Klischees über den Bayerischen Wald aufräumen. Kaum eine bayerische Region sei so von Klischees überwuchert, sagt er. Es gebe nicht den einen Bayerischen Wald, sondern eine Region mit vielen unterschiedlichen Voraussetzungen.

Das Klischee von der ärmlichen Gegend, das in den 1920er Jahren entstand, sei nur teilweise korrekt. In der Gegend um Hauzenberg und Tittling wurde Granit abgebaut. Die Gegend um den Regen sei sehr fruchtbar gewesen, die Landwirte hätten gut davon leben können. Anderenorts wieder florierte der Tourismus.

Auch Erfindungen wurden genutzt: Bewegliche Dampfmaschinen, sogenannte Lokomobile, seien für die Landwirtschaft wichtig gewesen. Die Maschinen konnten zu ihrem jeweiligen Einsatzort gezogen werden, wo sie etwa Dreschmaschinen antrieben. Auf einem der Fotos präsentiert sich eine Gruppe von rund 20 Erntehelfern mit Kindern und Maschinisten. Aufgenommen wurde es um 1910.

Zwar wurde der Bayerische Wald erst spät von der Eisenbahn erschlossen, was für die Industrialisierung hinderlich war. Aber 1877 nahm man die Strecke Plattling-Bayerisch Eisenstein in Betrieb. Es wurden spektakuläre Projekte wie Eisenbahnbrücken über steile Schluchten gebaut oder „Hotels und Musterfabriken in regelrechten Boomtowns“, sagt Loibl: Das sei alles andere als hinterwäldlerisch gewesen. Zu sehen ist die Schau bis voraussichtlich Ende des Jahres. (00/2535/27.08.2024)