Promis aus Politik, Gesellschaft und Kirche geben sich am Samstag und Sonntag auf der Île de la Cité in Paris ein Stelldichein. Notre-Dame wird wiedereröffnet. Wenige Schritte weiter geht es weniger glamourös zu.
Es waren Bilder, die um die Welt gingen. Im April 2019 drohte ein verheerendes Feuer, die weltberühmte Kirche Notre-Dame zu zerstören. Nur fünfeinhalb Jahre später sind die Trümmer beseitigt. Mehr noch: das gotische Gotteshaus im Herzen von Paris erstrahlt in neuem Glanz. “Sie erleben die Kathedrale, wie Sie sie noch nie zuvor gesehen haben”, hatte der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zugeraunt, als dieser am vergangenen Freitag zum letzten Mal die “Jahrhundertbaustelle” besuchte.
Am Samstagabend nun wird die Kirche im Beisein des “obersten Bauherrn” Macron wiedereröffnet. In Frankreich gehören die Kirchengebäude der öffentlichen Hand. Weil aber ein Gesetz aus dem Jahr 1905 die Trennung von Religion und Staat vorschreibt, wird Macron nicht in der Kirche selbst, sondern auf dem Vorplatz eine Rede halten. Rund 3.000 Gäste sind zu dem Festakt geladen, darunter zahlreiche Staats- und Regierungschefs.
Dazu gehören außer dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und dessen polnischer Amtskollege Andrzej Duda. Ebenfalls zugegen sein werden Albert von Monaco, Großherzog Henri von Luxemburg und die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola. Aus den USA reisen die Ehefrau von Präsident Joe Biden, Jill Biden, und Tochter Ashley sowie der designierte Nachfolger von Biden, Donald Trump, an. Entsprechend hoch werden die Sicherheitsvorkehrungen sein.
Im Anschluss ist ein großes Eröffnungskonzert geplant, bei dem Weltstars aus Klassik und Pop auftreten. Pharrell Williams und Angélique Kidjo sind mit von der Partie, ebenso wie Pianist Lang Lang und die beiden Star-Cellisten Yo-Yo Ma und Gautier Capuçon. Im Vorfeld hatte das Gerücht die Runde gemacht, dass auch Ex-Beatle Paul McCartney seine Aufwartung macht. Das hat sich aber nicht bewahrheitet, ebenso wenig wie eine Kurzvisite von Papst Franziskus. Der reist ein Wochenende später nach Korsika, was nicht allen Verantwortlichen in Paris zu schmecken scheint.
Trotzdem: Frankreich feiert – und feiert sich selbst. “Sie waren die Alchemisten der Baustelle und haben Kohle in Kunst verwandelt”, hatte Macron den rund um Notre-Dame tätigen Handwerkern, Spezialisten sowie Service- und Sicherheitskräften bei seiner Baustellenbegehung zugerufen. “Das Inferno von Notre-Dame verursachte eine nationale Wunde und Sie haben mit Ihrem Willen, Ihrer Arbeit und ihrem Einsatz zur Heilung beigetragen.” Emotionen und Pathos – beides wird der Präsident auch am Wochenende liefern. Schon jetzt wird das anstehende Wochenende als Höhepunkt seiner zweiten Amtszeit gehandelt.
Denn auch das gehört zum Bild dieser Tage: Während Notre-Dame aus der Asche wieder auferstanden ist, steht Frankreichs Politik vor einem Scherbenhaufen. Am Mittwochabend vollzog sich wenige Gehminuten von Notre-Dame entfernt ein Drama, das sich schon länger angekündigt hatte. Ein Misstrauensvotum brachte die Regierung von Ministerpräsident Michel Barnier zu Fall. Die Nationale Sammlungsbewegung Rassemblement National um Marine Le Pen hatte sich dazu hinter einen entsprechenden Antrag der linken Opposition gestellt.
In einer Fernsehansprache am Donnerstagabend kündigte Macron an, in Kürze einen Nachfolger für Barnier zu ernennen. Dieser solle eine Regierung bilden, die alle politischen Kräfte des Landes abbilde. Zugleich bekräftigte Macron, sein Mandat wie offiziell vorgesehen bis 2027 erfüllen zu wollen. Der Präsident appellierte an die Tatkraft der Bevölkerung und verwies in diesem Zusammenhang auf die zu einem erfolgreichen Abschluss gebrachte Baustelle von Notre-Dame. Sie sei der Beweis dafür, “dass wir große Aufgaben bewältigen können”.
Das Wochenende bietet damit auch so etwas wie eine Atempause von den politischen Turbulenzen. Am Sonntagmorgen wird der Katholik Macron am ersten Gottesdienst in der wiedereröffneten Kathedrale teilnehmen. Die Jahrhundertbaustelle ist dann Geschichte. Aber rund um das Gotteshaus wird in den kommenden Monaten weiter gearbeitet. So soll der komplette Vorplatz neu gestaltet werden. Die wichtigsten Baustellen von Macron liegen künftig dann wieder ganz woanders.