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“Alles steht Kopf” – Wenn Gefühle ein Eigenleben entwickeln

“Findet Nemo”, “Toy story” oder “Cars” sind einige der berühmtesten Animationsfilme aus dem Hause Pixar. Zu den originellsten zählt sicher “Alles steht Kopf” – eine ungewöhnliche Reise ins Innere eines jungen Mädchens.

“Findet Nemo”, “Toy story” oder “Cars” sind einige der berühmtesten Animationsfilme aus dem Hause Pixar. Zu den originellsten zählt sicher “Alles steht Kopf” von 2015 – eine ungewöhnliche Reise ins Innere eines jungen Mädchens.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Als die elfjährige Riley mit ihrer Familie vom Mittleren Westen nach San Francisco umziehen muss, geraten die Gefühle im Kontrollzentrum ihres Bewusstseins aus der Balance. Bald kann Freude, das federführende Gefühl des Kindes, ihre “Kollegen” Ärger, Angst, Ekel und Kummer nicht mehr kontrollieren, so dass das Chaos überhand zu nehmen droht. Insbesondere Kummer, von Freude schon immer mit Argwohn beobachtet, drängt sich so lange vor, bis die Chefin dazwischengeht. Mit dem Ergebnis allerdings, dass Freude und Kummer aus der Kommandozentrale hinausgesaugt werden und sich aus dem Bereich des Langzeitgedächtnisses gemeinsam zurückarbeiten müssen.

Der ideenreiche, höchst humorvolle Animationsfilm ist einer der vielschichtigsten Werke von Pixar: Ein Road Movie durchs menschliche Gehirn, das souverän den Spagat zwischen abstrakter Idee, quietschbunten Settings und actionreicher Erzählweise meistert. Alle Altersgruppen finden dabei unabhängig von Alters- oder Wissensstand etwas, das sie fordert.

Genug von sprechenden Fischen, Spielzeugfiguren oder Autos. In diesem Animationsfilm des renommierten Pixar-Studios geht es um die Stimmen im Kopf. Genauer gesagt: im Kopf der elfjährigen Riley. In einem Alter, in dem es schon mal drunter und drüber gehen kann. Auch Riley hat sich innerhalb kürzester Zeit von einem Sonnenschein in einen düster dreinblickenden Pre-Teen verwandelt. Nicht ganz ohne Grund, denn ihre Familie ist nach San Francisco gezogen, und das neue Leben ist anders, als ihre Eltern es ihr ausgemalt haben.

Mit “Alles steht Kopf” von 2015 ist Pixar im echten Leben angekommen, wenn auch mit einem ganz eigenen Dreh. Denn während sich Riley von außen betrachtet immer mehr in sich selbst verkriecht, spielt sich das eigentliche Drama in ihrem Gehirn ab. Dort sieht es aus wie in einem kunterbunten Themenpark, dessen Zentrum eine Kommandobrücke wie im “Raumschiff Enterprise” ist.

Die Besatzung besteht aus fünf sehr unterschiedlichen Figuren, die alle mal das Sagen haben wollen, deren gemeinsames Ziel es aber ist, Riley ein glückliches Leben zu bescheren. Es sind Emotionen, die hier jeweils passende Gestalt angenommen haben: Die stets optimistische Anführerin “Freude” sieht aus wie eine gelb flimmernde Tinkerbell mit blauen Haaren. “Ärger” ist eine roter Hitzkopf, “Ekel” eine grüne Zicke, “Angst” so etwas wie ein lila Fragezeichen, und die an sich selbst zweifelnde “Kummer” ist ein blauer Trauerkloß.

“Kummer” weiß nicht, was sie zu Rileys Wohlergehen beitragen kann, denn wann immer sie eingreift, wird das Mädchen traurig. Sind am Ende des Tages viele positive Erinnerungen zusammengekommen, haben die fünf ihre Mission erfüllt. Aber dann werden “Freude” und “Kummer” durch ein Missgeschick in die unendlichen Weiten des Bewusstseins katapultiert, zusammen mit prägenden Kernerinnerungen des Mädchens. Während die beiden den Weg zurück suchen, müssen “Ekel”, “Ärger” und “Angst” dafür sorgen, dass Riley ihr heiteres Selbst wieder findet. Ein denkbar schlechtes Team für diese Aufgabe!

Etwas vergleichbar Originelles hat Pixar selten geliefert. “Alles steht Kopf” dringt in Sphären vor, die immer noch erforscht werden: Wie funktionieren Verstand, Gedächtnis und Bewusstsein? Die Filmemacher haben – stark vereinfacht, aber mit wissenschaftlicher Beratung – eine Welt kreiert, in der entsprechende Prozesse und ihre Folgen witzig verdeutlicht werden.

So verlaufen sich “Freude” und “Kummer” während ihrer Odyssee in den Irrgängen des Langzeitgedächtnisses, treffen einen imaginären Freund aus Rileys Kleinkindertagen, landen in der Traumfabrik, geraten in das gut bewachte Unterbewusstsein, wo Brokkolibäume wachsen und ein grässlicher Clown schlummert. Schließlich landen sie auch noch in der Deponie, wo unnötige Erinnerungen verlöschen – und spätestens an diesem Punkt muss man sich ernsthafte Sorgen um Rileys Psyche machen.

Denn was würde passieren, wenn sich dort auch “Freude” und “Kummer” in Nichts auflösen würden? Die Irrfahrt nimmt mal die Züge eines schlechten Drogentrips an, mal die eines Katastrophenfilms, wobei letztere, wie erfahrene Filmfans wissen, in der Regel ein gutes Ende mit Familienzusammenführung haben.

Anfangs sprüht der Film geradezu vor Ideenreichtum und Humor. Ein Streitgespräch am Familientisch etwa, der auch Einblicke in die Kontrollzentren von Rileys Eltern liefert, ist ein kleines Meisterwerk der Komik. Der Mittelteil mit der ewigen Irrfahrt dagegen gerät ein wenig zur Geduldsprobe. Kleinere Zuschauer könnten hier ein wenig überfordert sein, zumal es an manchen Stellen auch eher düster und verwirrend wird. Und größere hätten sicher noch mehr davon, wenn Riley bereits – der Abspann liefert einen Appetizer – mitten in der Pubertät stecken würde. Dennoch bietet der Film für alle gute Unterhaltung.

Und eine Botschaft hat “Alles steht Kopf” auch noch. Denn als heimliche Heldin erweist sich schließlich die Emotion “Kummer”: Traurigkeit gehört eben zum Leben dazu – und manchmal hilft dieser Zustand dabei, sein seelisches Gleichgewicht wieder zu erlangen.