“Am siebten Tage sollst du ruhen”, heißt es im Alten Testament. Bereits am 3. März 321 erklärte der römische Kaiser Konstantin den siebten Tag der Woche zum allgemeinen Tag der Arbeitsruhe. Bis heute betonen Psychologen, Ärzte und Wissenschaftler, wie wichtig es ist, regelmäßig Pausen einzulegen. Doch 1.703 Jahre später scheint die Viertagewoche als Rettung der Berufswelt. Darüber, wie viel davon Wunsch und wie viel Notwendigkeit ist, berichtet – am Tag nach dem “Tag der Arbeit” – am 2. Mai um 20.15 Uhr die Dokumentation “Wunschtraum Viertagewoche” aus der 3sat-Reihe “WissenHoch2”.
Demografischer Wandel, Künstliche Intelligenz (KI) und Fachkräfte-Mangel läuten eine neue Ära in der Arbeitswelt ein. Werden wir künftig an weniger Tagen pro Woche arbeiten, dafür möglicherweise bis ins hohe Alter? Seit rund 20 Jahren ist Denise Dismer mit Schwerpunkt Reportagen und Dokus zu sozialen und gesellschaftspolitischen sowie wissenschaftlichen Themen als Filmemacherin tätig. Intensiv hat sich die Autorin und Regisseurin von “Wunschtraum Viertagewoche” mit dem Neudenken der Arbeit befasst.
Neudenken der Arbeitswelt
Eine Viertagewoche ohne Lohnausgleich ist für viele Angestellte möglich – das nennt sich “Teilzeit”. Damit verbunden sind Einschnitte in Bezug auf Gehalt und später auf die Rentenhöhe. Mit dem Schlagwort “Viertagewoche” ist jedoch meist das Modell 100-80-100 gemeint: 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit – und nur dann gibt es auch 100 Prozent Gehalt. Gerade startet eine erste Studie in Deutschland zu dieser Art von Viertagewoche, die nicht nur eine bessere Work-Life-Balance verspricht.
Während der Dreharbeiten wirkten auf die Filmemacherin Beschäftigte in Berufen mit großem Fachkräftemangel und vergleichsweise geringem gesellschaftlichen Ansehen besonders zufrieden. “Fliesenleger:innen und Busfahrer:innen werden schon heute händeringend gesucht, dennoch haben diese Jobs ein Image- und Nachwuchsproblem”, sagt Dismer. Und sie ergänzt: “Das müssen wir angehen – mit neuen Arbeitszeitmodellen, aber auch mit mehr Wertschätzung und besserer Aufklärung schon bei Kindern und Jugendlichen.”
Der Transformation der Arbeitswelt widmen sich viele Experten und Wissenschaftlerinnen. Einige wie der Wiener Neurobiologe und Autor Bernd Hufnagl wirken als eine Art theoretisches Gerüst an der Doku mit, um den aktuellen Stand der Forschung mit dem Publikum zu teilen.
Im Detail lauern Fallstricke
Nicht weniger wichtig ist für den Film der Vergleich mit der Praxis. Den bieten Anna Yona sowie Christina Travisano von der “Schuhmanufaktur Wildling”. Die Geschäftsführerin und Idealistin einerseits, und die Mitarbeitende und Mutter von drei Kindern andererseits, berichten aus ihrem Alltag, welche Vorteile neue Arbeitsmodelle haben – und benennen mögliche Fallstricke.
Bei der Manufaktur für Barfußschuhe aus Engelskirchen (bei Köln) geht es allerdings nicht um das Arbeit-Freizeit-Verhältnis der Beschäftigten, sondern um das Überleben des Unternehmens. “Wir müssen in Produktion und Materialeinkauf runterfahren, aber auch Personalkosten reduzieren, und wir versuchen, das in der Gemeinschaft zu lösen, indem wir Arbeitszeit und Gehalt reduzieren. Wir brauchen jetzt alle, damit wir das schaffen können, gemeinsam”, bekennt “Wildling”-Chefin Yona vor der Kamera.
Dass Pausen und die innere Haltung zur Arbeit wichtig sind, wusste Filmemacherin Dismer schon vor diesen Dreharbeiten – und hat nach eigenen Worten trotzdem etwas gelernt: “Die Praxisbeispiele und Studienergebnisse, die Experten wie Neurobiologe Hufnagl genannt haben, haben bei mir ein Umdenken bewirkt. Unter anderem, dass diese ‘Pausen’ keine langen Auszeiten sein müssen, sondern es oft schon reicht, einige Minuten in die Ferne zu starren, um das Gehirn zu resetten und Raum für neue Ideen zu schaffen.”
Kompakt und kurzweilig bildet die 45-Minuten-Dokumentation “Wunschtraum Viertagewoche” den Auftakt zu einem interessanten “WissenHoch2”-Abend – ein Thema, zwei Formate: Im Anschluss, um 21.00 Uhr, diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen in “scobel – Kampf um Arbeit”, der sowohl ein Kampf der Arbeitenden ist als auch ein Kampf um Arbeitende.