Wer erst einmal den Weg über die steinerne Wendeltreppe hoch ins Dachgeschoss des Heppenheimer Amtshofes auf sich genommen hat, findet dort die „Ostdeutsche Kultur- und Heimatstube“ mit integrierter „Schönbacher Stube“. Sie zeigt historische Schätze: Schlesische, sudetendeutsche und Siebenbürger Trachten, Musikinstrumente, Gläser, Keramik und vieles mehr aus zahlreichen Vertreibungsgebieten.
Die museale Einrichtung soll „einem möglichst großen Besucherkreis die Heimat der deutschen Vertriebenen und ihr Schicksal“ vorstellen, heißt es beim Bergsträßer Kreisverband des Bundes der Vertriebenen (BdV). Wie lange die Einrichtung noch in dieser Form bestehen kann, hängt auch von den Mitgliederzahlen des Ortsverbands und des Kreisverbands ab, sagt deren Vorsitzender, Gerhard Kasper. Seit 2010 haben die beiden Verbände rund zwei Drittel ihrer Mitglieder verloren.
Von den zwischen 400 und 500 verbliebenen Personen gehört noch etwa die Hälfte zur sogenannten Erlebnisgeneration – also denjenigen, die Flucht und Vertreibung nach Ende des Zweiten Weltkrieges selbst erlebt haben. Längerfristig werde man sehen müssen, was mit der Heimatstube und ihren Exponaten, überwiegend Leihgaben der BdV-Mitglieder, passieren wird, sagt Kasper: „Vielleicht müssen wir die Ausstellungsstücke zurückgeben oder können sie in anderen Museen unterbringen.“
Laut BdV-Landesverband Hessen sind von 1949 bis in die 1990er Jahre bundesweit fast 600 solcher „musealen Einrichtungen der Flüchtlinge, Heimatvertriebenen und Aussiedler“ entstanden, die meist als „Ostdeutsche Heimatstuben“ bezeichnet werden. „Nach aktuellem Stand gibt es etwa 30 Heimatstuben in Hessen“, teilt der Landesverband auf Anfrage mit.
Gerhard Kasper ist eng mit der Einrichtung in Heppenheim und der Geschichte der Vertriebenen verbunden. Schon sein Vater, der selbst zur Erlebnisgeneration gehörte und aus dem historischen Egerland stammte, war 40 Jahre lang Kreisvorsitzender beim Bund der Vertriebenen. Eine der ausgestellten Trachten gehörte einem Freund des Vaters. „Für mich war es gewissermaßen eine Verpflichtung, das Amt einmal zu übernehmen“, sagt Kasper. Für ihn ist die Pflege der vorhandenen BdV-Mitglieder wichtiger, als neue zu finden.
Die „Deutsche Umschau“ beispielsweise, das Nachrichtenmagazin des BdV-Landesverbandes Hessen, verteilt er mit seinem Roller persönlich an rund 80 Personen in Heppenheim. „Wer am Hoftürchen steht, möchte dann auch gerne ein wenig erzählen. Deshalb dauert es zwei bis drei Tage, bis ich alle Zeitungen ausgeliefert habe“, sagt Kasper.
Innerhalb der Stadtgesellschaft wünscht er sich, dass der BdV mehr wahrgenommen würde. „Früher hatten die Heimatvertriebenen noch ein großes Gewicht in der Stadt – auch, weil sie in politischen Gremien noch Sprecher hatten“, sagt Kasper. Mit einem Ortstermin in der Heimatstube und neuer Werbung wolle der Kreisverband bald versuchen, sich künftig auch in Schulen Gehör zu verschaffen. Ein Versuch mit jüngeren Schülern in der Vergangenheit habe jedoch gezeigt, dass man dabei eher auf das Interesse bei älteren Jugendlichen setzen sollte, erzählt Kasper und lacht.
Dank eines digitalen Rundgangs durch die Heimatstube, der im mehrere Stockwerke tiefer befindlichen Museum Heppenheim angesehen werden kann, müssten die Schülerinnen und Schüler nicht einmal die vielen Treppenstufen hinaufsteigen. Daran war die Kreisstadt Heppenheim, die sich für kooperative Schulprojekte offen zeigt, finanziell beteiligt. In Kombination mit einem Film, den der Landesverband zur Heppenheimer Einrichtung gedreht hat, ist der digitale Rundgang laut BdV ein Beispiel dafür, wie eine nachhaltige Bestandssicherung von Heimatstuben gelingen kann – auch unabhängig von den Mitgliederzahlen.