Die Bauernproteste halten an. Auch Milchbauer Christoph Jacobsen will am Freitag mit seinem Trecker gen Landeshauptstadt Kiel fahren. Ihm geht es nicht nur um Agrardiesel, er protestiert auch gegen “irrsinnige” Auflagen.
Christoph Jacobsen hat Wut im Bauch. Bislang konnte der Landwirt aus dem schleswig-holsteinischen Osterrönfeld selbst noch nicht an einer Demonstration teilnehmen. Aber am Freitag will der Milchbauer bei einer Trecker-Protestfahrt Richtung Kiel mitfahren – wenn er sich loseisen kann. Denn so viel steht fest: Genug zu tun hat Jacobsen auf seinem Hof, den er mit seiner Familie, zwei Auszubildenden und zwei Aushilfen bewirtschaftet. Dennoch findet er, es sei überfällig, “auf die ganzen Missstände” in Landwirtschaft und Agrarpolitik aufmerksam zu machen.
Die ursprünglich mit sofortiger Wirkung beschlossene Streichung der Agrardiesel-Subventionen durch die Bundesregierung ist für den Landwirt nur ein “Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat”. Jacobsen: “Es macht uns sauer, dass solche Entscheidungen über Nacht getroffen werden, ohne dass mit uns vorher darüber gesprochen wird.” Allerdings sei diese Entscheidung bei den Landwirten schon auf eine Menge angestauten Frust getroffen. Zahlreiche Vorgaben und Auflagen, die Bauern einzuhalten hätten, seien ideologisch geprägt bis “irrsinnig”, sagt der 44-Jährige.
Der Landwirt berichtet etwa vom ökologischen Fußabdruck, den die Meierei, an die er seine Milch liefert, pro Liter berechnet. “Alle möglichen Daten” würden dafür ausgewertet, von den Futtermitteln über den eingesetzten Dünger bis zum verbrauchten Diesel-Treibstoff. “Auch der Weidegang der Kühe zählt mit rein. Und wenn meine Kühe im Sommer draußen sind, verschlechtert sich der CO2-Fußabdruck, weil dann mehr emittiert wird”, sagt Jacobsen. Andererseits sei der Auslauf mit Blick auf das Tierwohl aber gewollt. “Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz.” Seine Kühe treibt er weiterhin auf die Weide: “Das mag mein Bauernherz gut leiden.”
Jacobsen hat den Hof vor den Toren Rendsburgs 2010 von seinen Eltern übernommen. 180 Milchkühe hat er täglich zu versorgen, außerdem rund 140 Tiere in der Nachzucht. Zudem bewirtschaftet der Landwirt rund 180 Hektar Ackerfläche. Dort wächst das Futter für seine Kühe, das zu Gras- und Maissilage weiterverarbeitet wird. Auf 20 Hektar baut der Landwirt aus dem hohen Norden zudem Roggen an, das er an den Handel verkauft.
Die Streichung der Diesel-Steuerentlastung bedeuten für seinen Hof eigenen Angaben zufolge Mehrkosten von 8.000 Euro im Jahr. “Davon stirbt in der Regel niemand. Und auch uns bringt das nicht um”, sagt Jacobsen. Dennoch erwarte die Landwirtschaft weiterhin die Rücknahme der geplanten Subventionsstreichung bis 2026. “Wir müssen doch erst einmal eine Alternative zum Diesel haben. Wir warten immer noch auf Wasserstoff-Trecker”, so der Landwirt.
Sein Milchviehbetrieb hat laut Jacobsen 2023 einen Spitzen-Gewinn eingefahren. “Solche Jahre brauchen wir aber auch”, sagt er – zum Beispiel, um schlechtere Wirtschaftsjahre auszugleichen, Altenteile zu finanzieren oder in den Betrieb zu investieren. Zuletzt hat der Landwirt, Vater zweier Kinder, eigenen Angaben zufolge etwa 750.000 Euro in zwei Melkroboter sowie in einen “Wellnessbereich” für Kühe investiert. Finanziert sei das auf rund 20 Jahre. “Wir denken in Generationen. Politiker manchmal nur bis zum nächsten Haushaltsjahr”, sagt Jacobsen.
Ihm zufolge sind die Landwirte auf Subventionen aus Deutschland und der Europäischen Union angewiesen, wenn sie zu höchsten Standards produzieren sollen. “Wenn wir zu den weltweiten Standards Landwirtschaft betreiben dürften, wären wir wettbewerbsfähig und kämen auch ohne finanzielle Unterstützung aus”, ist er überzeugt. Schon die polnische Milch werde anders produziert – “und die ist in drei Stunden hier”, erklärt Jacobsen.