Die einen mögen es schwarz-weiß: Einen schwarzen Talar soll die Pfarrerin oder der Pfarrer tragen und dazu ein weißes Beffchen. So sind sie als diejenigen, die für die Verkündigung ausgebildet und mit der Feier der Liturgie beauftragt sind, deutlich zu erkennen. Gleichzeitig tritt die Person unter dem weiten schwarzen Gewand zurück. Die Aufmerksamkeit liegt auf dem Gesicht und den Händen, und das kann der Konzentration auf die Predigt nur nützen.
Unmöglich, diese Betonung des Amtes, finden andere. Gilt nicht das Priestertum aller Gläubigen? Da ist es doch nur konsequent, auf die Äußerlichkeiten eines „geistlichen Standes“ zu verzichten und den Gottesdienst statt im Talar in Alltagskleidung zu verrichten. Auf diese Weise wird die Gleichwertigkeit aller Gläubigen stärker verdeutlicht; jeder Anschein von Abstand wird vermieden.
Wieder anderen ist das viel zu wenig feierlich. Sie vermissen die Sinnesfreude in den protestantischen Kirchen und schielen neidisch auf die prächtigen Gewänder der katholischen Geistlichen. Soll ein Gottesdienst denn nicht ein Fest für alle Sinne sein? Eine helle Albe mit bunter Stola ist da doch prächtiger anzuschauen als der dunkle, triste Talar.
Der Talar schafft Abstand und Sicherheit
Talar oder nicht, und wenn ja, in welcher Form – das ist zwar keine Glaubensfrage, wird aber trotzdem gern diskutiert. Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass die Kleiderfrage in evangelischen Gemeinden seit der Reformation durchaus unterschiedlich gehandhabt wurde. Zunächst wurden in der Regel die liturgischen Gewänder der katholischen Messe einfach weitergetragen. Schließlich waren die ersten protestantischen Prediger in den meisten Fällen nichts anderes als katholische Priester, die sich der Reformbewegung Luthers angeschlossen hatten.
Das gottesdienstliche Gewand galt den Reformatoren als „Adiaphoron“, also als eine biblisch nicht begründete Nebensächlichkeit, die für das Heil keine Rolle spielt. Wenn die Reinheit der Lehre stimmte, war es egal, ob ihr Verkündiger sie in schwarzer Professoren-Tracht oder in bunten liturgischen Gewändern vortrug.
In den folgenden Jahrhunderten war mehr oder weniger erlaubt, was gefiel. Erst der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. (1770-1840) machte im Jahr 1811 dem Wildwuchs ein Ende. Er führte für alle Beamten – zu denen auch evangelische Pfarrer und jüdische Geistliche in Preußen gehörten – den schwarzen Talar inklusive weißem Beffchen ein. Das war weniger eine theologische als vielmehr eine pragmatische Entscheidung, denn Friedrich Wilhelm III. wollte vor allem eines: Einheitlichkeit.
Die aber hat sich letztlich nicht durchgesetzt. Heute ist das Tragen eines Talars für Pfarrerinnen und Pfarrer zwar in vielen evangelischen Kirchen Normalität; es gibt aber auch jede Menge Ausnahmen. So orientieren sich Pfarrer der Selbständigen Evangelisch-lutherischen Kirche (SELK), die sich der Kirchenreform Friedrich Wilhelms III. verweigert hatte, eher an den katholischen Amtsbrüdern und tragen weiße Gewänder mit Stolen oder auch einem Kasel genannten Überwurf in den Farben des Kirchenjahres.
In manchen reformierten Gemeinden, etwa in der Schweiz, treten Pfarrerinnen und Pfarrer dagegen häufig ohne Talar auf. Das Gleiche gilt für viele Freikirchen. Meist tragen die, die in ein geistliches Amt ordiniert worden sind, einen schwarzen Anzug oder – als Frau – schlichte dunkle Kleidung.