Spione aus Ost und West, eine fast vereitelte deutsche Einheit und schräges Schrebergarten-Personal: Eine astreine Räuberpistole ist der neueste Krimi aus Westfalen – und in seiner Überdrehtheit ziemlich unterhaltsam.
Zu Beginn dieses Krimis wird nicht nur eine weibliche Leiche abtransportiert. Sondern auch zwei dahingeschiedene Eichhörnchen – wie ihr menschliches “Pendant” festgeschnallt auf einer Bahre. Nur eins von vielen absurden Bildern in dem an skurrilen Momenten reichen Münsteraner “Tatort: Unter Gärtnern”, den Das Erste am 17. März von 20.15 bis 21.45 Uhr ausstrahlt.
Außerdem im Sortiment dieses einmal mehr zum “höheren Blödsinn” tendierenden Boerne-Thiel-“Tatorts”: Eine sogenannte Karottenleiche, “ein roter Bulle” und das “Havanna-Syndrom”, ausgelöst durch eine Art Mikrowellen-Waffe (und hier deutlich tödlicher als beim realen Vorbild). Dazu eine Verfolgungsjagd, bei der die Flüchtige mithilfe eines speerförmigen Gartengeräts und einer Art großem Pflanzkübel festgesetzt wird, CIA- und russische Agenten sowie die ganz große Weltpolitik. Die, erfährt man hier, hätte im Juni 1990 bei Verhandlungen zwischen deutschem und russischem Außenminister in Münster um ein Haar eine komplett andere Richtung genommen – wenn, ja, wenn Heidi Veith nicht gewesen wäre.
Besagte Heidi Veith ist die eingangs erwähnte Tote – unter ihren Schrebergarten-Nachbarn kennt man sie allerdings als “Sabine Schmidt”. Was bei Weitem nicht die einzige Ungereimtheit ist im Leben – und am Tod – der rüstigen Mittsechzigerin. Welche Beziehung unterhielt sie zu dem verheirateten Historiker Ulrich Winer? Und was hatte es mit ihren häufigen Reisen auf sich? Vor allem aber: Woran starb sie? Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und seine Kollegin Silke Haller (ChrisTine Urspruch) stehen angesichts ihres äußerlich unversehrten Körpers vor einem Rätsel.
Auch Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) tritt die längste Zeit auf der Stelle bei seiner Suche nach Motiv und Tätern – nebenbei muss er bei “Vaddern” (Claus D. Clausnitzer) als Klempner aushelfen. Überhaupt spielen die persönlichen Beziehungen und Kabbeleien wie üblich eine große Rolle: Boerne darf kräftig einzahlen in Hallers “Blöde-Sprüche-Kasse”, mit ihr allerdings auch beim Candle Light Dinner fachsimpeln.
“Vaddern” und Staatsanwältin Klemm wiederum vereint eine wilde Vergangenheit in der lokalen Hausbesetzer-Szene, und Thiels Assistent Schrader bastelt Action-Videos aus Material von Überwachungskameras. Dazwischen haben “Öko-Faschisten”, Nudisten und frustrierte Ehefrauen aus der Kleingartenkolonie, aber auch holländische Waffenhändler und als Eisverkäuferinnen getarnte Agentinnen ihre eindrücklichen Auftritte. Nebenbei wird zudem das Thema “Alter” gestreift, bei dessen Verdrängung sich hier sämtliche (männliche) Protagonisten auffallend ähneln.
Entsprechend glänzt der verhandelte Kriminalfall nicht unbedingt mit innerer Logik oder großer Spannung – aber das erwartet man von Boerne, Thiel und Co. ja ohnehin nicht. Das Drehbuch von Regine Bielefeldt liefert das, was sich wohl die meisten “Münster”-Fans wünschen: schräges Personal, blasierte Boerne-Sprüche und schnell gesetzte Pointen – angereichert mit ein paar besonders abstrusen Story-Umdrehungen.
Ein lustvolles Spiel mit Versatzstücken vor allem des Agentenfilms ist es, das die Autorin und die Regisseurin Brigitte Maria Bertele hier betreiben. Ihren Spaß an dieser – gekonnt geschriebenen und inszenierten – Räuberpistole kann man förmlich mit Händen greifen. Dazu kommen auf den Punkt spielende Schauspieler und vor allem Schauspielerinnen: Größen wie Sibylle Canonica oder Almut Zilcher, aber auch tolle unbekanntere Gesichter wie Darja Mahotkin.