In Cottbus häuften sich seit dem Jahreswechselgewaltsame Auseinandersetzungenzwischen Einheimischen und Geflüchteten. Wie schätzt die Kirche die Lage in der Stadt ein und wie reagiert sie darauf?Den kompletten Artikel von Birgit Keilbach gibt es hier.
VonBirgit Keilbach
Die Stadt Cottbus ist in den Schlagzeilen, seit es dort im Januar innerhalb weniger Tage mehrere gewaltsame Angriffe und Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Geflüchteten gab. Die Stimmung in der Stadt ist sehr emotional, Einwohner fürchten um ihre Sicherheit. Eine rechtspopulistische Demonstration erhielt viel Zulauf. „Cottbus ist keine fremdenfeindliche, sondern eine weltoffene und tolerante Stadt“, sagt Ulrike Menzel, Superintendentin des Kirchenkreises Cottbus. Die Stadt bemühe sich sehr um die Integration und die Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen, deshalb würden geflüchtete Menschen gern nach Cottbus ziehen. „Als Kirche sind wir Teil der Zivilgesellschaft und engagieren uns schon seit vielen Jahren im gut aufgestellten Netzwerk für Integration in der Stadt“, so die Superintendentin. Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen arbeite seit vielen Jahren im „Cottbuser Aufbruch“ mit, einem seit 1999 bestehenden Aktionsbündnis für ein gewaltfreies und tolerantes Miteinander in Cottbus. Am 15. Februar werde es einen Sternmarsch mit anschließender Kundgebung auf dem Cottbuser Oberkirchplatz geben. Zudem sei die Oberkirche Nagelkreuzzentrum. An jedem ersten Montag im Monat wird um 17 Uhr im Rahmen des Friedensgebetes die Versöhnungslitanei gebetet – auch eine starke Stimme in der aktuellen Situation. „Wir nutzen alles, was Kirche zur Bewusstseinsbildung und für Integration tun kann. Und wir haben andere Bilder von Cottbus, denn die guten Erfahrungen überwiegen“, sagt Ulrike Menzel.
Auf Initiative von Kirchenmusiker Peter Wingrich und des Vereins Musica Sacra ist 2017 die Wanderausstellung „MenschenBilder“ erarbeitet worden. Sie zeigt die Geschichten von geflüchteten afghanischen und syrischen Männern und Frauen. Ein halbes Jahr lang hat Peter Wingrich gemeinsam mit zwei Chorsängerinnen Flüchtlingstreffs und „Sprech-Cafés“ in der Stadt besucht, die Geschichten zusammengetragen. Schüler des evangelischen Gymnasiums, Übersetzer und weitere Helfer unterstützten sie dabei. In den Kirchengemeinden arbeiten geflüchtete Iraner, Syrer und Afghanen mit. Die Diakonie Niederlausitz betreibt eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete mit sozialer Beratung und in den evangelischen Kitas werden Kinder von Flüchtlingsfamilien betreut. Der Pfarrkonvent beschäftigte sich im Januar 2018 damit, „wie wir mit Rechtspopulismus umgehen können“, nennt Ulrike Menzel einen weiteren Punkt.
Siegfried-Thomas Wisch, Superintendent des Kirchenkreises Mittelmark-Brandenburg und Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in Brandenburg, sieht die Cottbuser Akteure vor einem langfristigen, sehr sensiblen Prozess. „Man muss vor Ort genau hinhören, nachfragen und die Ursachen ergründen. Warum entstehen solche Provokationen und warum eskalieren sie?“ Die rechtsextreme Szene habe sich in Cottbus über Jahre aufgebaut. Wichtig ist aus seiner Sicht die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements.
Im Dezember organisierte das Mobile Beratungsteam (MBT) im Auftrag des Aktionsbündnisses „Cottbuser Aufbruch“ einen Work – shop zum Thema Rechtsextremismus, wie Susanne Kschenka vom MBT berichtet. „Miteinander reden ist wichtig. Es geht darum, welche Gesprächsangebote über das Vorhandene hinaus geschaffen werden können, um die Situation zu deeskalieren. Denn sie müssen auch angenommen werden.“
Im Workshop hätten die Akteure vom Aktionsbündnis auch über die Frage nachgedacht: „Ergibt es Sinn, die jähr liche Aktion ‚Cottbus bekennt Farbe‘ am 15. Februar, dem Jahrestag des Bombenabwurfes auf die Stadt Cottbus 1945, wieder durchzuführen?“ Die Antwort fiel eindeutig aus. Ja, es ergibt Sinn. In diesem Jahr wollen mehr Cottbuser Initiativen als sonst ein anderes Gesicht ihrer Stadt zeigen, als jenes, das in letzter Zeit in den Medien vorherrscht. Unter dem Motto „Cottbus bekennt Farbe“ wird es am 15. Februar einen Sternmarsch durch Cottbus geben. Bereits um 11.45 findet eine Andacht zum Jahrestag mit Superintendentin Ulrike Menzel und Generalsuperintendent Martin Herche in der Lutherkirche statt.
Ab 17 Uhr wollen die Teilnehmer an vier verschiedenen Orten starten: Brandenburgische Technische Universität, Staatstheater, Lutherkirche und Jacques-Duclos- Platz. Ziel ist der Platz an der Oberkirche. Dort wird ab 18 Uhr die Kundgebung beginnen. Auch die Kirche ist mit dabei. Ulrike Menzel und Martin Herche werden als Redner auftreten.