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Wer galt den Nationalsozialisten als “gottbegnadet”?

Als in der Endphase des Zweiten Weltkriegs viele Theater in Deutschland geschlossen wurden, stellte das NS-Regime vor 80 Jahren eine Liste mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen, die vom “totalen Krieg” ausgenommen werden sollten. Insgesamt kamen 1.042 Personen in den Genuss der Ausnahmeregelung. Die am Anfang stehende “Sonderliste” umfasst 21 Namen in Maschinenschrift, dazu vier handschriftliche Ergänzungen. Es handelte sich insgesamt um 21 Männer und drei Frauen; ein handschriftlicher Eintrag ist im Digitalisat des Bunsarchuvs kaum mehr zu entziffern.

Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) hat biographische Skizzen zu den 24 Künstlern zusammengestellt. Viele von ihnen arrangierten sich mit dem Regime, manche waren überzeugte Nationalsozialisten, einige wenige hielten trotz diverser Ehrungen Abstand zu den Machthabern.

Der heute weitgehend vergessene Lyriker und Erzähler gilt als einer der Vorreiter des autobiographischen Romans. Hans Carossa unterhielt zum NS-Regime eine ambivalente Beziehung. Trotz einer gewissen Distanz wurde er 1941 Präsident der nationalsozialistisch geprägten “Europäischen Schriftsteller-Vereinigung”.

Der Nobelpreisträger für Literatur 1912 ist einer der bedeutendsten deutschen Dramatiker. Im Kaiserreich schmähte ihn Wilhelm II. als “Rinnsteinpoet”, in der Weimarer Republik war Hauptmann ein Fixstern, unter den Nationalsozialisten zog er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück.

Der österreichisch-deutsche Romanautor, Dramatiker und Lyriker mit ungarndeutschen Wurzeln wurde aufgrund seiner nationalistischen Einstellung vom NS-Regime hofiert. Nach dem Krieg hielt Kolbenheyer Kontakt zu rechtsgerichteten Kreisen.

Größter Erfolg des NS-“Paradedichters”: Das Adolf Hitler in “liebender Verehrung und unwandelbarer Treue” gewidmete Drama “Schlageter” von 1933 über den als “Märtyrer” von rechten Kreisen verehrten Albert Leo Schlageter (1894-1923). Nach 1945 wurde es still um den 1942 ehrenhalber zum SS-Gruppenführer ernannten Johst. Sein letzter Roman “Gesegnete Vergänglichkeit” von 1955 blieb ohne Echo.

Die in Ostpreußen tief verwurzelte Schriftstellerin, Journalistin und Balladendichterin Agnes Miegel sah in Adolf Hitler einen Retter für eine dauerhafte Zugehörigkeit Ostpreußens zum Deutschen Reich. Nach dem Zweiten Weltkrieg von ihren heimatvertriebenen Landsleuten als “Mutter Ostpreußen” verehrt.

Zum Bestseller der heute kaum mehr bekannten Autorin geriet der Roman “Das Wunschkind” (1930). Kollege Werner Bergengruen soll die Verfasserin später das “Glückwunschkind” genannt haben, weil sie von 1933 an Deutschland mehrfach zu seinem “Führer” gratulierte. In ihrem letzten Roman “Michaela” setzte sich Ina Seidel 1959 mit dem Anteil des Bildungsbürgertums am Nationalsozialismus und mit ihrer eigenen Verantwortung auseinander.

Als bevorzugter Bildhauer Adolf Hitlers übte Arno Breker zusammen mit Hitlers Lieblingsarchitekt Albert Speer einen großen Einfluss auf die Gestaltung von Bauten und öffentlichen Plätzen in der NS-Zeit aus. Nach 1945 in der deutschen Öffentlichkeit verfemt, hatte er aufgrund eines Netzwerks an Freunden und Gönnern von Maler Salvador Dali bis hin zu Politikern wie Ludwig Erhard ein auskömmliches Leben.

Architekten-Ikone Ludwig Mies van der Rohe war nicht der einzige, der das Werk des Bildhauers Georg Kolbe schätzte. In die NSDAP trat Kolbe nie ein, wehrte sich aber auch nicht, als die nationalsozialistische Propaganda seine Arbeiten vereinnahmte.

Der aus einfachen Verhältnissen stammende Bildhauer lieferte sich unter dem NS-Regime mit seinem Rivalen Arno Breker einen Wettlauf um die Gunst der Machthaber. Von seiner jüdischen Ehefrau ließ sich Josef Thorak bereits 1933 scheiden. Widmete sich nach 1945 religiösen Plastiken.

Joseph Goebbels schwärmte über den Bildhauer Fritz Klimsch: “Ein Genie. Wie er den Marmor behandelt.” Seine Dienste ließ sich Klimsch, der bereits in der Weimarer Republik ein Star war, auch vom NS-Regime gut bezahlen; in die NSDAP trat er nicht ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wagte er einen Neuanfang – mit Kleinplastiken.

Adolf Hitlers “Lieblingslandschaftsmaler” sorgte zuletzt Anfang vergangenen Jahres für Schlagzeilen, als sich das fränkische Marktheidenfeld von der 1955 verliehenen Ehrenbürgerschaft für Hermann Gradl distanzierte.

Der aus kunstsinniger Familie stammende Maler Arthur Kampf – Vater August wirkte als kaiserlicher Hofphotograph – hatte seine besten Tage eigentlich schon hinter sich, als ihn das NS-Regime “wiederentdeckte”. Sein Bild “30. Januar 1933” mit dem Fackelzug von SA- und SS-Männern durch das Brandenburger Tor in Berlin feierte 1938 den Tag der nationalsozialistischen “Machtergreifung”.

Der Schüler von Oskar Kokoschka, der 1934 emigrieren musste, wurde zunächst selbst von den Nationalsoszialisten angefeindet. Später bezeichnete ihn Joseph Goebbels als den “Dürer unserer Zeit in der Blumen- und Kleintiermalerei”. Nach dem Krieg nahm Kriegel unter anderem seine Arbeiten an Heilpflanzen-Illustrationen wieder auf, die er für den Arzneimittelhersteller Madaus bereits 1934 begonnen hatte.

Zusammen mit Architekt Albert Speer und Bildhauer Arno Breker sollte der Maler Werner Peiner für den Look der neuen Hauptstadt Germania (Berlin) zuständig sein. Dazu kam es bekanntermaßen nicht. Stattdessen baute der gebürtige Düsseldorfer die Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei auf. Er konnte ähnlich wie Breker nach dem Zweiten Weltkrieg auf ein Netzwerk an Persönlichkeiten bauen, die ihm den Unterhalt sicherten. In seiner Autobiographie von 1975/76 stellte er sich selbst einen Persil-Schein aus: “Ich diente nur meiner Kunst und war mir bewußt, daß ich sie durch die Tiefe dieser Zeit tragen mußte.”

Leonhard Gall arbeitete im Architekturbüro von Paul Ludwig Troost, den Adolf Hitler besonders schätzte. Gall selbst zeichnete später unter anderem verantwortlich für die Inneneinrichtung von Hitlers Residenz Berghof am Obersalzberg.

Hermann Giesler war neben Albert Speer der zweite von Adolf Hitler in besonderer Weise bevorzugte Architekt. Sein Modell vom Wiederaufbau von Linz diente dem im Berliner Bunker einsitzenden “Führer” noch in der Endphase des Krieges als Stimmungsaufheller. Giesler saß nach dem Krieg zunächst in Haft und arbeitete später als selbstständiger Architekt. Sein Bruder Paul Giesler, ebenfalls überzeugter Nazi, war von 1942 bis 1945 bayerischer Ministerpräsident.

Nationalsozialisten diffamierten den auch international renommierten Architekten anfangs als links eingestellt. In der Folgezeit diente sich Wilhelm Kreis einerseits dem NS-Regime an, andererseits blieb er aufgrund der jüdischen Herkunft seiner Frau für die Machthaber erpessbar. Nach dem Krieg ließ sich Kreis in Bad Honnef bei Bonn nieder und beteiligte sich an mehreren Wiederaufbau-Projekten.

Der Mitbegünder des Deutschen Werkbundes, eines reformorientierten Zusammenschlusses von Künstlern, Architekten und Unternehmern, radikalisierte sich nach dem Ersten Weltkrieg. Immer mehr wandte sich Paul Schultze-Naumburg der völkischen Rassenideologie zu. 1932 saß er als Abgeordneter für die NSDAP im Reichstag.

Der Komponist von “Salomé” und “Der Rosenkavalier” wurde 1933, im Herbst seiner Karriere, Präsident der Reichsmusikkammer. Weil er sich für den jüdischen Schriftsteller Stefan Zweig einsetzte, geriet Richard Strauss aber schon im Jahr darauf in Konflikt mit den Nationalsozialisten und trat von seinem Amt zurück. Siedelte nach dem Krieg in die Schweiz über.

Seinen Durchbruch erlebte Hans Pfitzner 1917 mit der Oper “Palestrina”. Bereits in der Weimarer Republik äußerte er sich antisemitisch. Der Egozentriker eckte im NS-Regime immer wieder an, versuchte aber zugleich, sich einen dauerhaften Platz im NS-Kulturbetrieb zu sichern. Antisemitischem Gedankengut blieb Pfitzner offenbar auch nach 1945 treu.

Der internationale gefeierte Wilhelm Furtwängler gehört zu den bedeutendsten Dirigenten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Leitung der Berliner Philharmoniker legte er 1934 aus Protest nieder, weil die NS-Granden die Uraufführung von Paul Hindemiths Oper “Mathis der Maler” verboten hatten. Er blieb trotzdem einer der bevorzugten Dirigenten im “Dritten Reich”. Nach 1945 mit Berufsverbot belegt, wurde er 1947 in einem Entnazifizierungsverfahren freigesprochen und stand im Mai desselben Jahres wieder am Pult der Philharmoniker.

Der Leiter der Münchner Kammerspiele wurde im März 1933 kurzzeitig von den Nationalsozialisten verhaftet, arrangierte sich später mit dem Regime. Nach Kriegsende hielt sich Falkenberg mit privatem Schauspielunterricht über Wasser. Nach ihm wurde 1948 die den Städtischen Bühnen in München angegliederte Schauspielschule benannt.

Der Schauspieler und Schriftsteller wirkte noch 1944/45 in dem unvollendeten NS-Propagandafilm “Das Leben geht weiter” mit. Für Freidrich Kayßler selbst ging das Leben danach nur noch wenige Wochen weiter: Er wurde bei Kriegsende in Berlin von sowjetischen Soldaten erschossen.

Die Schauspielerin, Regisseurin und Intendantin Hermine Körner hatte namhafte Fürsprecher unter den Größen des NS-Regimes, war aber trotzdem auf Abstand bedacht. Der Dichter Jochen Klepper nannte Körner in seinen Tagebüchern “die unerschrockene und unermüdliche Fürsprecherin für ehemals namhafte jüdische Kollegen”. Kurz vor ihrem Tod stiftete sie den Hermine-Körner-Ring, eine Auszeichnung auf Lebenszeit für eine “Schauspielerin mit ernsthaftem Streben”. Derzeitige Trägerin: Hildegard Schmahl.