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Wenn Franz Kafka auf moderne Kunst trifft

Das Jubiläums-Jahr für Franz Kafka neigt sich dem Ende zu. Das Jüdische Museum Berlin spannt in seiner Ausstellung “Access Kafka” daher den Bogen in die Gegenwart. Es geht um Zugänge und Zugangsverweigerung.

Gelegentlich zeichnete er, aber für seine literarischen Werke wünschte er keine Illustrationen. Es war Franz Kafka (1883-1924) wichtig, dass der Leser die von ihm geschaffenen Figuren mit seiner eigenen Fantasie ausschmückt. Jedem sein eigener Gregor Samsa, jedem sein eigenes Ungeziefer.

Bewegt sich das Jüdische Museum Berlin mit der Ausstellung “Access Kafka” somit auf einem schmalen Grat? In dieser Ausstellung, die bis zum 4. Mai 2025 läuft, werden 30 Manuskripte, Zeichnungen und Briefe aus dem Nachlass des Schriftstellers ausdrücklich nicht illustriert, aber in Verbindung mit Werken der Gegenwartskunst in einen eindeutigen visuellen Kontext gesetzt. In einen Dialog von “Gesprächspartnern”, wie Kuratorin Shelley Harten betont.

Was die ausgewählten Kunstwerke verbinde, so Harten, sei das Motiv des Zugangs (“Access”) oder der Zugangsverweigerung. Ein Thema, das auch in Kafkas Werk eine große Rolle spiele. Das aber auch in heutigen Gesellschaften von großer Bedeutung sei, wie Harten erläuterte.

So ist die Ausstellung in sechs Themenräume unterteilt: Wort, Körper, Gesetz, Raum, Judentum und Access Denied (Zutritt verweigert). Interessante Schwerpunkte sind dies, von denen das Thema Judentum in einem Jüdischen Museum natürlich naheliegend ist. In einem kleinen dunklen Raum kann man einen Blick auf Franz Kafkas hebräische Vokabelhefte werfen und seine Vernetzung innerhalb der damaligen jüdischen Community nachverfolgen. War Franz Kafka also ein jüdischer Schriftsteller? Wie lässt sich sein religiöser Zugang beschreiben?

Auf einer Infotafel kommt der Schriftsteller selbst zu Wort: “Was habe ich mit Juden gemeinsam? Ich habe kaum etwas mit mir gemeinsam.” Wer so individuell und originell fragen und antworten kann, eignet sich nur bedingt für ein religiöses Miteinander. Was einen religiösen Zugang aber grundsätzlich nicht ausschließt, vielleicht nur tiefer grundiert. Kafka interessierte sich für den Zionismus, seine größte Begeisterung habe aber dem jiddischen Theater gegolten.

Auch in den anderen Räumen erwarten den Betrachter spannende Begegnungen. So etwa beim Thema Körper. Tatsächlich war für Kafka das Schreiben aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit immer auch eine physische Tätigkeit. Seine Künstlerfiguren wie Josefine die Sängerin, der Hungerkünstler oder der Trapezakrobat agieren mit den Zugängen und Begrenzungen des Physischen. Dies unterstreichen der Videofilm “AI Winter” der deutschen Künstlerin Anne Imhof oder die von starken Körperempfindungen geprägten Porträts und Studien der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig (1919-2014).

Auch beim Thema Räume gelingt den Ausstellungsmachern eine berührende Korrespondenz von Literatur- und Bildwelten. Kafka griff in seinen Erzählungen häufig auf Motive wie Türen, Tore, Fenster, Schwellen oder Bauten zurück, um “Gefühlen der Ausweglosigkeit, Desorientierung und Beklemmung eine Gestalt zu geben”, wie es im Katalog heißt. Es liegt nahe mit diesen Grenzerfahrungen im Zeitalter der Globalisierung in einen Dialog zu treten. Ein blutig wirkendes Öl- und Lasurbild der israelischen Künstlerin Michal Naaman mit dem Titel “All Welcome” steht neben anderen Werken für diesen thematischen Zugangsstoff.

Im Raum der Mittelachse der Ausstellung, von dem aus man in die verschiedenen “Access-Themen-Räume” gehen kann, erwartet den Betrachter schließlich eine schöne Überraschung: Papier und Stift liegen bereit, um der ironischen Aufforderung Kafkas, “Wer Künstler werden will, melde sich!” zu folgen. Ganz praktisch.

So darf man gespannt sein, wie die Ausstellungsbesucher ihr ganz eigenes Bild von Josef K., dem der Prozess droht, oder dem Mann vom Land, der vergeblich auf Einlass vor dem Gesetz wartet, ausdrücken werden. Nicht als Illustration selbstverständlich, sondern im spielerischen Gespräch. 100 Jahre nach seinem Tod ist Franz Kafka, wie die Ausstellung “Access Kafka” eindrücklich belegt, so lebendig wie selten zuvor.