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„Wenn du mich lieben würdest“

Jeder Mensch hat Erwartungen. An sich, an andere, an das Leben. Das geht gar nicht anders. Aber diese Erwartungen können zur Falle werden. Eine Anleitung, wie man da wieder rauskommt

Was erwarten Sie denn?

Zum Beispiel von diesem Leitartikel. Informationen? Eine klare Meinung? Der Sie zustimmen oder sich daran reiben können? Wollen Sie Erbauliches lesen – oder ein paar praktische Tipps für die Gestaltung der Adventszeit bekommen?

Mit einem Zeitungsartikel ist es wie mit vielen anderen Dingen im Leben: Wir haben bestimmte Vorstellungen davon, was wir erwarten. Manchmal werden die erfüllt.Sind die Erwartungen aber zu hoch, unberechtigt oder einfach auch nur verschwommen, dann macht sich schnell Enttäuschung breit.

Wenn etwa vom Freund oder der Partnerin erwartet wird, dass er oder sie spürt, was man von ihm oder ihr braucht („Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann…“), dann geht das schnell schief. Denn: Unausgesprochene Erwartungen sind für andere schwer zu erahnen.

Ähnlich im Glauben. Wenn jemand von Gott erwartet, dass der ihn oder sie von einer Krankheit heilt oder die Ehe rettet – auch dafür gibt es letztlich keine Garantie; trotz aller Gebete und Kerzen. Dann kann es sein, dass die Betroffenen in eine Krise stürzen oder gar ihren Glauben hinschmeißen und gar nichts mehr von Gott erwarten.
Denn das ist das andere Extrem: gar keine Erwartungen zu haben. Wer vom Leben nichts mehr erwartet, weil es zu viele bittere Enttäuschungen gab, wird am Ende vermutlich ein trauriges Dasein führen.

Erwartungen sind wichtig. Für ein erfülltes Leben. Um der Hoffnung Nahrung zu geben. Damit der Mensch nicht im Hier und Jetzt steckenbleibt. Advent ist eine Zeit der Erwartung.

Weil es mit den Erwartungen manchmal so gründlich schiefgehen kann, ist es hilfreich, sich über die eigenen Erwartungen klar zu werden. Denn oft sind sie unbewusst oder halbbewusst. Wenn man darüber nachdenkt und sich fragt, was man wirklich will, wird dabei manchmal schon deutlich, dass die Erwartungen unrealistisch sind – und man kann sie überprüfen und vielleicht auch ändern.

Besonders deutlich wird das im Fall der so genannten Erwartungserwartungen. Dies ist kein Schreibfehler, der Begriff aus der Soziologie und Psychologie beschreibt ein Erwartungsgeflecht unter Menschen: Person A denkt, dass Person B etwas Bestimmtes von Person A erwartet und verhält sich entsprechend. Naheliegend, dass dies eine ständige Ursache für Missverständnisse und Streit sein kann. Auch hier ist es hilfreich, zu überprüfen, was der oder die andere wirklich erwartet, zu klären: Wer will was von wem? Das geht am besten in einem offenen Gespräch.

Das gilt ähnlich auch für den Glauben. Im Gebet können Christinnen und Christen Gott ihre Erwartungen und Hoffnungen mitteilen. Wichtig ist dabei, offen zu bleiben dafür, dass es am Ende doch anders kommen kann als erhofft.

Die Adventszeit ist dazu eine gute Gelegenheit, Sie will den Menschen Mut machen, sich über ihre Erwartungen klar zu werden und Hoffnung in Gott, aber auch in Mitmenschen zu setzen.

Bleibt die Hoffnung, dass Sie dieser Artikel nicht enttäuscht hat; selbst, wenn Sie anfangs vielleicht ganz andere Erwartungen hatten.