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Weihnachtsbeleuchtung: Besinnlich oder aufdringlich?

Weihnachtsbeleuchtung lässt Kinderaugen funkeln und ruft Kritiker auf den Plan. Bunt blinkende Einkaufsstraßen und Häuserfassaden gefallen längst nicht allen.

Pro: Licht ist in jeder Form ein Hoffnungsschimmer

Von Mirjam Rüscher
Sie ist übertrieben, teuer, aufdringlich und manchmal einfach nur geschmacklos. Aber auch so schön! Weihnachtsdekoration, insbesondere Weihnachtsbeleuchtung ist für mich in dieser Zeit, in dieser Dunkelheit ein Lichtblick. Etwas, worauf ich mich schon die ganzen Wochen vorher freue.

Gerade jetzt tut das Licht so gut. Der Winter, die dunkle Jahreszeit, schlägt vielen Menschen aufs Gemüt. Sie werden melancholisch, manche regelrecht traurig, schlapp. Manche Menschen reagieren auf die Herbst- und Winter­monate so stark, dass sie eine Winterdepression bekommen. Nun lässt sich mit Weihnachtsbeleuchtung keine Depression behandeln, aber Licht­therapien können tatsächlich helfen.

Licht ist für die Menschen wichtig, es dient als innere und äußere Orientierung und hat zudem eine eigene ästhetische Kraft. Daher wirken beleuchtete Objekte – nicht nur in der Weihnachtszeit – besonders faszinierend auf Menschen. Für den einen sind die Lichter Kindheitserinnerungen, für den nächsten spiegeln sie eine Sehnsucht wider. Auch, wenn einem der Geschmack der Leute nicht gefallen mag, kann ich ihnen ihre Gefühle dazu nicht absprechen.

Für mich bringt in dieser Zeit jeder Kranz, jede Lichterkette einen Hoffnungsschimmer. Jedes Lämpchen ist ein Lichtblick. Zeigt es doch, dass sich die meisten Menschen nach den gleichen Dingen sehnen: Wärme, Geborgenheit, Frieden. Eigentlich wollen doch alle einfach nur eine friedvolle Vorweihnachtszeit erleben. Was für ein beruhigender Gedanke.

Darf's noch etwas kitschiger sein?
Darf's noch etwas kitschiger sein?Pixabay

Dunkle Zeiten, die Dunkelheit gehört zum Leben. Das lassen auch die vielen bunten, manchmal blinkenden Lichter nicht vergessen. Läuft man die Straßen entlang, ist nicht überall Licht. Manche Orte bleiben düster, manche Ecken unheimlich. Wer Weihnachtsbeleuchtung mag, hat nicht automatisch Angst im Dunkeln, er ist die Finsternis vielleicht einfach nur leid. Die Dunkelheit hält noch den Januar, Februar und mindestens den halben März an. Warum dann nicht im Dezember einfach mal den Lichterglanz genießen? Und bei all dem, was in der Welt so los ist, muss das Licht vielleicht manchmal besonders grell sein, damit es zur Hoffnungsbotschaft werden kann.

Contra: Lichterwahnsinn ist Energieverschwendung und schlafraubend

Von Gerd-Matthias Hoeffchen
In meinem Wohnzimmerfenster hängt ein beleuchteter Adventsstern. Warm scheint er in die Dämmerung; strahlt, wenn die Nacht anbricht. Licht in der Dunkelheit – der Stern ist ein Sinnbild für Hoffnung in düsteren Zeiten.

Dann gehe ich durch die Nachbarschaft, und es ist aus mit der Dunkelheit. Hunderte, Tausende Glühlämpchen und LEDs funkeln, fackeln, blitzen wie in einer Freiluft-Disco. Hauswände flackern wie kollabierende Sonnensysteme. Die Fußgängerzone ähnelt einer Landebahn auf dem Frankfurter Flughafen. Jeder versucht, den anderen mit noch mehr Blend-Power zu übertreffen.

Hatte man sich früher damit begnügt, Zeichen zu setzen, um in der Dunkelheit den Mut nicht zu verlieren – Kerze, Weihnachtsbaumlichter, Adventsstern –, verkünsteln sich jetzt immer mehr Menschen in dem neurotischen Versuch, die Dunkelheit mit Myriaden von künstlichen Lichtern gleich ganz abzuschaffen.
Die Menschen scheinen die Dunkelheit nicht mehr aushalten zu können. Das ist fatal. Denn die Dunkelheit gehört zum Leben. Als Gott die Welt schuf, schied er das Licht von der Finsternis. Aber er schaffte die Finsternis nicht ab. Er gab ihr einen eigenen Raum: die Nacht.

Und die braucht der Mensch. Schlaf und Ruhe sind lebensnotwendig. Die immer absurder ausufernde Weihnachtsbeleuchtung ist ja nicht nur eine riesige Energiev­erschwendung – allein in den USA verbraucht die Weihnachtsbeleuchtung trotz Energie-Sparlampen und LEDs jährlich 6,63 Milliarden Kilowattstunden Strom, das ist mehr als der Jahresverbrauch von Ländern wie El Salvador oder Tansania. Sie beeinträchtigt auch massiv den Schlaf-Rhythmus von Lebewesen. Was für Wildtiere wie Igel, Eichhörnchen, Rehe und Vögel nachgewiesen wurde, darf man auch für Menschen und Haustiere annehmen.

Ich jedenfalls werde unleidlich, wenn in mein Schlafzimmer die Lichterketten der Nachbarn reinblitzen. Ich weiche dann aus ins Wohnzimmer. Da ist mein Adventsstern. Einsam. Warm. Ein Zeichen, das deshalb so stark wirkt, weil es die Dunkelheit nicht wegstrahlen will, sondern sie aushält. Das unverdrossen daran erinnert: Halte durch, es wird auch wieder besser! Pünktlich um 22.30 Uhr schaltet sich der Stern per Zeitschaltuhr dann aus.