Artikel teilen:

Von störrischen Gleithörnchen und schnellen Orcas

Sich unsichtbar machen, das kann er. Der Hamburger Tierfilmer Oliver Goetzl ist gerade in Finnland unterwegs, seine Kamera hat er mit Netzen bedeckt, er selbst schmiegt sich komplett getarnt an einen Baumstamm. Nach dem Dreh mit Wölfen, Bären und Steinadlern sind jetzt Gleithörnchen dran. Doch die kleinen Tiere mit den großen Knopfaugen haben gerade keine Lust, sich zu zeigen. „Sie sind eher nachts unterwegs“, sagt der 56-jährige Biologe. Für den erfahrenen Tierfilmer kein Problem: „Ich liebe es, draußen zu sein.“

Viel Ausdauer hatte auch der Pionier des Tierfilms, Heinz Sielmann (1917-2006). Vor 60 Jahren, im April 1965 startete er seine erste Fernsehsendung „Expeditionen ins Tierreich“ im Norddeutschen Rundfunk (NDR). Viele Tiere und Landschaften holte er zum ersten Mal ins deutsche Fernsehen – etwa die Balz der Paradiesvögel in Papua-Neuguinea oder Berggorillas in den Urwäldern des Kongo. 26 Jahre lang war Sielmann das Gesicht der Sendung, produzierte über 150 Folgen. „Seine Filme haben einen unschätzbaren Beitrag geleistet, Menschen für die Schönheit und Vielfalt der Natur zu begeistern“, erklärt die Heinz Sielmann Stiftung in Duderstadt (Landkreis Göttingen).

Diese Mission führt Produzent Jörn Röver seit über 20 Jahren fort. „Kaum eine Sendung läuft länger im deutschen Fernsehen“, freut sich der Biologe und Chef von Doclights. Auf der großen Weltkarte in seinem Büro hat er aktuelle Drehorte mit Nadeln markiert, zwölf Teams sind weltweit für „Expeditionen ins Tierreich“ unterwegs. Als „weiße Flecken in der Tierfilmwelt“ hat er die Schweiz, Frankreich und die Ostküste Kanadas auf seiner Landkarte.

„Wir wollen Tiere ungestört in ihrer natürlichen Umgebung zeigen und ihre Geschichte erzählen“, sagt Röver. Das müsse nicht unbedingt etwas Exotisches sein. Auch in deutschen Wäldern gebe es viel zu entdecken.

Während Sielmann seine Ausrüstung selbst zusammenbastelte, ziehen Tier- und Naturfilmer heute mit 300 Kilogramm Hightech auf ihre Expeditionen. Röver: „In dunklen Höhlen oder Nestern können wir mit modernen lichtempfindlichen Kameras filmen, dazu kommen Wärmebild- und Superzeitlupenkameras.“ Auch leise Kameradrohnen würden immer häufiger eingesetzt, etwa für Orang-Utans in 40 Meter hohen Baumwipfeln oder schwimmende Orcas, die zu schnell für bootfahrende Filmteams sind. Doch Technik ist nicht alles, gefragt sind auch biologisches Fachwissen und Ausdauer.

Denn schnell geht im Naturfilm nichts: „Von der ersten Idee bis zum fertigen Film dauert es im Schnitt drei Jahre“, sagt der Produzent. Dreharbeiten dauern Monate, manchmal sind Genehmigungen kompliziert oder im Filmgebiet leben indigene Völker. „Wer ihr Vertrauen gewinnen will, muss sich Zeit nehmen und ihnen gut zuhören.“ Waren früher nur Tiere vor der Kamera, gehe es heute oft auch um naturverbundene Kulturen und Menschen, die unter Umweltzerstörung, Klimawandel und Artensterben leiden.

„Wir zeigen, welcher Reichtum verloren geht“, sagt Röver. Das Wissen um diesen Schatz sei nie wichtiger gewesen als heute, denn der Verlust an Arten schreitet schneller voran als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Laut Living Planet Report 2024 des Umweltverbandes WWF sind seit 1970 die untersuchten Populationen von Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien durchschnittlich um 73 Prozent zurückgegangen.

Artenschutz hat auch der junge Tierfilmer Gamander López als Ziel: „Ich möchte Menschen die Schönheit der Natur näher bringen und sie inspirieren, nach draußen zu gehen.“ Als Schüler postete er 2020 seine ersten Tierbilder und Videos auf Social Media. Heute gilt er als TikTok-Star des Naturfilms: Mehr als 12 Millionen Menschen folgen ihm auf den Plattformen TikTok, Instagram und Facebook. Und das ohne schnelllebige Effekthascherei. „Ich erzähle einfach von meiner Arbeit“, sagt der 23-Jährige und postet Bilder von Blaumeisen, Eichhörnchen oder gähnenden Eulen.