In ganz Mecklenburg-Vorpommern gibt es über 1000 Kilometer etablierte Pilgerwege, die von Osten nach Westen führen. „Was nicht heißt, dass Menschen auch auf anderen Wegen pilgernd unterwegs sind“, sagt der Referent für Kirche und Tourismus, Kersten Koepcke, vom Zentrum Kirchlicher Dienste (ZKD) des Kirchenkreises Mecklenburg in Rostock.
Die Pilgerwege in MV sind unterschiedlich frequentiert. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. „Wir wissen, wie viel Wegbeschreibungen abgefragt werden. Diese werden teilweise über uns im Onlineportal bestellt. Wir wissen teilweise auch bei den Unterkünften, wie viele Pilger da waren“, sagt er weiter. Rund 500 Menschen seien so jährlich pilgernd in MV unterwegs. Kersten Koepcke nimmt an, dass die Dunkelziffer nochmals so hoch sei. Er selber pilgert auch öfters mal. „Wobei ich sagen muss, dass ich dann nicht in Gruppen gehe. Wenn ich in Gruppen gehe, habe ich einen anderen Auftrag beispielsweise als seelsorgliche Begleitung.“
Pilgern an der Mecklenburgischen Seenplatte
Der Pilgerweg an der Mecklenburgischen Seenplatte hätte für ihn einen besonderen Reiz. Seit 2011 gibt es diesen. Der Weg führt von Friedland nach Mirow. In Neubrandenburg teilt er sich in eine östliche und eine westliche Route. „Da trifft man aber auch vermehrt Touristen. Es gibt andere Pilgerwege zum Beispiel im Pommerschen. Da kann man am Montag sehen, wer am Freitag kommt. Es geht ewig geradeaus. Das ist eine weite Landschaft, die ist tatsächlich nochmal anders, als die mecklenburgische Landschaft“, meint der Referent für Kirche und Tourismus.
Einen Geheimtipp hat er aber noch für ganz MV: Der Pilgerweg der Heiligen Birgitta, der von Schweden kommend über Rügen mit 450 Kilometern Länge durch ganz Mecklenburg-Vorpommern führt und bei Roseburg nähe Büchen in den skandinavischen Pilgerweg mündet. „Ein Stück dieses Weges zum Beispiel im Bereich Biosphärenreservat Schalsee, hinter Schwerin nach Westen, ist sehr zu empfehlen.“
Auf den Spuren der Heiligen Birgitta auf Rügen
Dem Weg der Heiligen Birgitta von Schweden (1313 bis 1373) hat sich auch der Verein “Ökumenische Pilgerinitiative Vorpommern” verschrieben. Rund 25 Menschen sind seit über sechs Jahren in der Initiative aktiv. Seit 2013 zeigen Muscheln mit einem weißen Kreuz auf Rügen die Richtung des Pilgerweges an. Regelmäßig kontrolliert der Verein, ob diese noch gut sichtbar sind, bietet begleitete Pilgertouren auf Rügen. Auch in der Hansestadt Stralsund sind die Zeichen des Pilgerweges der Heiligen Birgitta zu finden.
Mitte Juli 2021 wurde durch die ökumenische Pilgerinitiative in der Stralsunder Kulturkirche St. Jacobi eine Kapelle eingerichtet und eingeweiht. Schlicht ist der kleine offene Nebenraum mit einem Tischchen, einem Kreuz und dem Bild „Werden“ der Künstlerin Sylvia Vandermeer. Dennoch sollen hier Pilger dazu eingeladen werden zu verweilen, zu beten und Kraft für den weiteren Weg zu schöpfen. Auch ökumenische Pilgerbegleitausbildungen bietet die Pilgerinitiative in Kooperation mit der Nordkirche. Der nächste Durchgang ist für 2025 geplant, dann in Zusammenarbeit mit dem Pilgerkloster Tempzin in Mecklenburg.
Ein neuer Pilgerweg an der Ostsee
Die Gehörlosenpastorin im Pommerschen Evangelischen Kirchenkreis Ellen Nemitz war zuvor als Pastorin für die Kirchengemeinden Rambin, Altefähr und Poseritz auf Rügen zuständig. Heute engagiert sie sich als ehrenamtliche Pilgerpastorin im Verein. „Als ich auf Rügen als Gemeindepastorin anfing, habe ich geschaut, was die drei Gemeinden gemeinsam hatten. Das war der Pilgerweg, der dort lang ging“, sagt sie heute.
Um aber wirklich Pilgern anzubieten, musste sie das erstmal selber tun. Zusammen mit dem ehemaligen Pilgerpastor der Nordkirche, Bernd Lohse, ging sie auf den Olavsweg in Schweden. Eine Gruppenpilgerreise. „Es hat mich gegriffen, was Pilgern wirklich verändert. Es bilden sich Beziehungen. Wir sind heute immer noch in Kontakt“, fasst sie zusammen. Alleine unterwegs sein, mag sie eher nicht, lieber ist sie in Gruppen unterwegs.
Einen Geheimtipp fürs Pilgern in MV hat sie noch: Der Greifenweg. Der Weg von Bodstedt über Barth, Kenz, Starkow und Schuenhagen nach Richtenberg ist ein Anschlussweg zu den Jacobspilgerwegen Heilige Birgitta und Via Baltica.
Pilgern rund um Jager zwischen Stralsund und Greifswald
Sabine Petters aus Jager bei Greifswald nahm an der ökumenischen Pilgerbegleitausbildung teil, die der Verein in Kooperation mit der Nordkirche anbietet. Sie pilgert schon seit 2014. „Das Jahr war für mich ein Krisenjahr. Auch mein Mann hatte eine Frage im Hinterkopf“, sagt sie heute. Der Urlaub fiel für sie aus, sie mussten um planen und beschlossen: „Lass es uns tun.“ Mit zwei Rucksäcken und einem Pilgerführer machten sie sich auf den Weg. Doch zuvor beteten sie noch in der Kapelle von Jager und nahmen ihre Fragen mit. Seitdem wurde das Pilgern zentral.
Das Ehepaar bot anderen, die auf den Weg waren, Unterkunft auf dem Dachboden ihrer Scheune. Mittlerweile ist diese zur Pilgerherberge „Alter Heuboden“ ausgebaut. Sabine Petters bietet auch Pilgertage, die von Jager nach Greifswald führen. Ein kleines Büchlein „Mit Gott im Grünen“ führt alle Wege rund um die Kapelle Jager auf, gibt Anregungen zur Gestaltung einer Tagestour und enthält kurze Gebete für den Weg. „Pilgern ist Achtsamkeit gegenüber der Schöpfung, der Lebewesen“, ist Sabine Petters überzeugt.
Kirchengemeinden pilgern in Mecklenburg
Regelmäßig pilgern auch die Gemeinden im Sprengel Rittermannshagen-Gielow. Gemeindepädagogin Gudrun Witte hat das Angebot in den vergangenen Jahren aufgebaut und ausgebaut. Gestartet ist das Ganze während Corona – draußen und auf Abstand, das hat sich zu dieser Zeit angeboten. Gudrun Witte sagt: „Es ist schön, draußen und unterwegs zu sein. Ich mag es gerne, wenn wir zusammen singen und ein Gebet sprechen. Man kann Staunen in der Natur. Wie sie sich verändert, lässt mich Gottes Gegenwart spüren. Das gibt mir sehr viel. Pilgern ist ja Beten mit den Füßen. Inmitten der Natur, in Gottes Schöpfung seine Gegenwart zu spüren, hat immer nochmal eine besondere Ausstrahlung.“
Einen Geheimtipp hat sie auch: Vom Waldparkplatz Benz geht es durch das Naturschutzgebiet Ost-Peene. Der Fluss ist hier tief ins Tal eingeschnitten. „Das ist etwas, was man hier auf dem flachen Land nicht so vermutet. Das ist wunderschön, eine besondere Strecke“, sagt sie.
Großes Pilgerzentrum in Mecklenburg: Kloster Tempzin
Ein Kleinod mitten in Mecklenburg ist das einzige Pilgerkloster des Landes: Tempzin. Von hier aus ist die ökumenische Pilgerbewegung in Mecklenburg in den 90er Jahren gestartet unter Joachim und Magdalena Anders. „Die beiden waren inspiriert von dem Wallfahrtsweg der Magdeburger Fußwallfahrt. Sie waren – noch vor der Wende – so berührt davon, dass sie sagten, das möchten wir in Mecklenburg auch“, erzählt die Leiterin Maria Lachmann.
Nach der Wende hätten sie in Tempzin einen Ort gemeinsam mit Freunden gesucht und gefunden. Hier von der alten Antoniter-Anlage wollten sie das Pilgern bekannt machen in Mecklenburg, aber auch geistlich leben. „Sie haben dann angefangen das Gelände aufzubauen, auszubauen und zu retten.“ 30-jähriges Jubiläum feierte der Verein des Pilgerkloster Tempzin in diesem Jahr.
„Die Seele kann anfangen zu heilen“
Das Kloster bietet heute nicht nur Unterkünfte für Pilger. Einkehrtage, “ora et laboura”-Zeiten und gemeinsames Pilgern werden angeboten. „Wir haben auch ein Jugendbau-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Paulskeller in Schwerin, so dass ora et labora auch für Jugendliche möglich ist“, sagt Maria Lachmann vom Trägerverein. „Es ist ein Ort, an dem man gut mit sich, mit Gott und anderen Menschen ins Gespräch kommen kann. Es ist ein traumhaftes Gelände, mit viel Natur um uns herum. Die Tradition, dass Menschen hierher kommen können unabhängig ihrer Konfession, macht den Ort freundlich“, erzählt Maria Lachmann weiter.
Für sie sei das Pilgern eine großartige Art ins Gebet zu gehen: „Der Körper wird bewegt, kommt teilweise an seine Grenzen. Die Seele kann anfangen zu heilen und in Bewegung zu kommen. Ich erlebe immer wieder, wie leicht 25 Kilometer gelaufen werden können, wenn man in Gemeinschaft läuft, gemeinsam betet, gemeinsam schweigt. Ich komme, wenn ich den großen Pilgerweg mitgehe die zehn Tage, immer wieder beschwingt zurück.“
Weitere Infos zum Pilgern gibt es hier: