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Verständigung auch ohne Worte

Beim Diakonie-Gemeinschaftsprojekt „Pause inklusiv“ auf dem Kirchentag entwickelten sich viele interessante Gespräche, kam es zu schönen Begegnungen

Anke Marholdt

STUTTGART – Der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck und Dia­konie-Präsident Ulrich Lilie waren ebenso zu Gast bei „Pause inklusiv“ wie Martina Horak-Werz und viele andere. Horak-Werz war zusammen mit anderen Frauen unterwegs auf dem Gelände des Deutschen Evangelischen Kirchentages in Stuttgart.

Angesprochen wurden sie von  Jens Freudenreich, einem von 140 Mitarbeitenden bei „Pause inklusiv. Café & Kultur“. Es war das Gemeinschaftsprojekt der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, der Dia­konie Himmelsthür aus Hildesheim, der Johannesdiakonie Mosbach aus Baden und der Diakonischen Stiftung Wittekindshof aus Bad Oeynhausen.

Starnitzke: Inklusion durch Begegnung fördern

Freudenreich hat im Serviceteam des Cafés mitgearbeitet, war aber auch Botschafter von „Pause inklusiv“. Mit 8700 Tüten Gummibärchen und 2000 Postkarten haben die Botschafter Kirchentagsbesucher zu „Pause inklusiv“ eingeladen. „Durch die Botschafter sind unzählige Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung entstanden. Wir wollen nicht nur über Inklusion reden, sondern Inklusion durch Begegnungen fördern“, erklärte der Wittekindshofer Vorstandssprecher Dierk Starnitzke.  
Horak-Werz und ihren Freundinnen kam die freundliche Einladung entgegen, weil sie ohnehin gerade eine kleine Stärkung brauchten. Sie haben etwas zu essen und zu trinken bekommen, Live-Musik erlebt und sich Zeit genommen, um etwas in das Tage-Buch vom Kirchentag in Leichter Sprache zu schreiben.
Kathrin Berger, Leiterin des Büros für Leichte Sprache Wittekindshof, fasste den Text in kurze Sätze mit leicht verständlichen Worten. Doch bevor sie ihn in das Tage-Buch einklebte, legte sie ihn Menschen zur Prüfung vor, die nicht oder nur mit Schwierigkeiten lesen können. „Erst wenn unsere Prüfleser sagen, dass ein Text gut verständlich ist, ist es wirklich Leichte Sprache“, erklärt Berger, die immer wieder beobachten konnte, dass Prüfleser mit großem Stolz ihre Unterschrift unter einen geprüften Text setzen.
„Die Funktion der Prüfleser nimmt Menschen mit ihren Kompetenzen und mit ihrem Unterstützungsbedarf ernst. Genau das müssen wir auch tun, wenn wir gemeinsam darüber nachdenken, wie wir leben sollen. Die Kirchentagslosung fordert uns auf, gemeinsam darüber nachzudenken, was wir tun und lassen müssen. Auf die Stimme der Menschen mit Behinderung zu verzichten, wäre sehr unklug. Damit wir klug werden, müssen wir die Perspektive von Menschen mit Behinderung ernst nehmen“, griff Starnitzke das Kirchentagsmotto auf.

Trommelworkshop führt Menschen zusammen

Bei „Pause inklusiv“ waren Menschen mit Behinderung die entscheidenden Akteure. Sie haben Live-Musik gemacht, eine Kunstinstallation gestaltet und Impulse zur Behindertenrechtskonvention gegeben. „Für Inklusion müssen wir unseren Blick ändern. Menschen mit Behinderungen sind nicht nur hilfebedürftig, sondern bereichern unsere Gesellschaft, mit dem was sie tun und wie sie sich engagieren“, erklärte Starnitzke. Er nutzte den Treffpunkt zum Gespräch mit dem Vorstand Sozialpolitik der Dia­konie Deutschland Maria Loheide über den Heimkinderfonds, mit Diakonie-Präsident Ulrich Lilie über die Zusammenarbeit zwischen diakonischen Einrichtungen und Kirchengemeinden und mit dem neuen Sozialreferenten im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Oberkirchenrat Ralph­ Charbonnier, über das kirchliche Arbeitsrecht.
Auf dem Kirchentag immer wieder Thema war die Flüchtlingsfrage. Bei „Pause inklusiv“ haben Flüchtlingsfamilien dazu beigetragen, Inklusion weit zu fassen. Männer und Kinder aus den Flüchtlingshäusern neben dem Kirchentagsgelände machten beim Trommelworkshop der Wittekindshofer Trommelgruppe Shuja aus Hamm mit. „Da haben Menschen mit und ohne Migrationshintergrund getrommelt, Menschen mit Behinderung waren die Trommellehrer. Eine Verständigung mit Worten war kaum möglich, aber in einen Rhythmus sind alle gekommen. Das war Inklusion live“, so Starnitzke.