Für Karl-Wolfgang Eschenburg ist klar, dass der wertvolle Hauptaltar der Wismarer Georgenkirche in die Georgenkirche gehört – und zwar an seinen angestammten Platz im Hohen Chor. „Bei uns in der Satzung steht, dass er zurück soll“, sagt der Vorsitzende des 1987 gegründeten Vereins „Förderkreis St. Georgen zu Wismar“. Doch ob das Altarretabel wirklich zurückkehrt oder an seinem jetzigen Standort in der Wismarer Nikolaikirche verbleibt, ist noch offen. Darüber entscheiden muss die Stadt als Eigentümerin.
Bürgermeister Thomas Beyer (SPD) könne sich vorstellen, „dass es am Ende bei einer so gravierenden Entscheidung auf ein Votum der Bürgerinnen und Bürger hinausläuft, denn St. Georgen ist eine Bürgerkirche“, heißt es von der Wismarer Stadtverwaltung. Allerdings stehe jetzt die fachliche Prüfung im Vordergrund. „Dies beinhaltet einen ergebnisoffenen Variantenvergleich, einen Standort, der die kulturelle Nutzung nicht beeinträchtigt, und eine Abschätzung der Kosten.“
Mittlerweile ist es 17 Jahre her, dass die umfangreiche, langjährige Restaurierung des um 1430 entstandenen Marien- und Heiligen-Schnitzaltars von St. Georgen abgeschlossen werden konnte. Rund 750.000 Euro hatten die Arbeiten gekostet. Geld, das der St. Georgen-Förderkreis allein durch Spenden aufbrachte.
Der vierflügelige gotische Schrein gilt als sehr qualitätvoll und ist mit seiner Höhe von gut vier Metern und seiner Breite von etwa zehn Metern vermutlich der größte in Mecklenburg-Vorpommern erhaltene spätgotische Schnitzaltar. Die Bombennacht vom 14. zum 15. April 1945 überstand der Hochaltar, weil er 1942 zum Schutz in der Georgenkirche eingemauert worden war. In den 1950er-Jahren wurde das gotische Meisterwerk aus der Georgenkirchen-Ruine in die Nikolaikirche gebracht.
Ein Gutachten von 2019 über die klimatischen Bedingungen in St. Nikolai und in der inzwischen wieder aufgebauten Georgenkirche zeige, dass das Klima in St. Georgen „vorteilhafter“ für den Altar sei, sagt Karl-Wolfgang Eschenburg. Allerdings sei der Altar an das feuchtere Klima in der Nikolaikirche jetzt gewöhnt, ergänzt Restauratorin Annette Seiffert, die Vorstandsmitglied des Förderkreises ist. Eine Umstellung des Altars müsste laut Eschenburg deshalb ganz, ganz langsam erfolgen: „Wir möchten ja nicht, dass die Farbe wieder abgeht.“
Denn auch der Lübecker Karl-Wolfgang Eschenburg trug seinen Teil dazu bei, den farbig gefassten Schnitzaltar zu erhalten. Er habe die Patenschaft für eine der 40 Heiligenfiguren übernommen, und zwar für die Darstellung der Anna Selbdritt, erzählt der 77 Jahre alte Holzhändler.
Restauratorin Annette Seiffert, die nach eigenem Bekunden etwa acht Jahre an diesem Altar arbeitete und jetzt einmal pro Jahr notwendige Instandhaltungsmaßnahmen an ihm vornimmt, mag besonders die Figur der Heiligen Barbara mit dem Turm. „Das ist für mich die schönste Figur.“ Vor allem der Faltenwurf ihres Gewandes und das Gesicht gefallen ihr.
Um bei der Suche nach dem künftigen Standort des Altars voranzukommen, sollen jetzt nach dem Willen der Bürgerschaft beide Standorte in der Nikolaikirche und in der Georgenkirche untersucht werden, berichtet Eschenburg. Im diesjährigen Haushalt der Stadt sei dafür auch schon ein Betrag eingestellt worden.
Nach Angaben der Stadt bereitet die Abteilung Hochbau aktuell die Unterlagen zur Umsetzung der Maßnahmen aus dem Bürgerschaftsbeschluss vom Juni 2023 vor, „sodass die notwendigen Untersuchungen voraussichtlich in diesem Jahr begonnen werden können“.
Doch, egal, zu welchen Ergebnissen das Gutachten kommen sollte, der Altar müsse künftig klimatisiert eingehaust werden – in St. Georgen in einer Glasvitrine oder in St. Nikolai in einer raumhohen gläsernen Einhausung, sagt der Vereinsvorsitzende Eschenburg. Denn die Denkmalpflege fordere ein gleichmäßiges Klima, um diesen Schatz für die nächsten Generationen ohne Schaden zu bewahren.
Dass die Planungen und die Umsetzung dieser Einhausung viel Geld kosten werden, schreckt ihn nicht ab. Er habe in seinem Leben immer Geld für Projekte gesammelt, sagt der gebürtige Lübecker, der sich beispielsweise für den Erhalt der Lübecker Altstadt einsetzte. Es sei noch kein Projekt am Geld gescheitert, „weil das Geld immer den guten Dingen nachläuft“. Es müsse in der Stadt ein breites Einverständnis zu dieser Thematik entstehen.