Sollen Abtreibungsgegner vor Arztpraxen und Beratungsstellen demonstrieren und Schwangere auch – mitunter aggressiv – ansprechen dürfen? Viele Verbände finden: Nein. Sie begrüßen einen Gesetzentwurf, der das ahnden will.
Verbände und Juristen haben in einer Anhörung im Bundestag mehrheitlich den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur sogenannten Gehsteigbelästigung begrüßt. Schwangere berichteten, dass es ihnen Angst mache, wenn Abtreibungsgegner ihnen den Zugang zu Beratungsstellen erschwerten, erklärte der Verband Pro Familia am Montag im Bundestag. Dies beeinträchtige die Qualität, es erschwere den Frauen das Einlassen auf das Gespräch oder halte Ratsuchende auch gänzlich davon ab, persönlich zu kommen. Dies könne nicht im Interesse des Gesetzgebers und auch nicht im öffentlichen Interesse sein.
Als “Gehsteigbelästigung” werden aggressive Protestaktionen von Abtreibungsgegnern in der Nähe von Einrichtungen bezeichnet, die Schwangerschaftskonfliktberatung anbieten oder Abtreibungen vornehmen. Ein aktueller Gesetzentwurf sieht vor, dass solche Protestaktionen künftig als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro geahndet werden können. Laut Entwurf muss ein ungehinderter Zugang zu den Beratungsstellen gewährleistet werden. Schwangere dürfen demnach in Hör- und Sichtweite nicht gegen ihren Willen angesprochen werden. Der Entwurf befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren.
Auch der Beratungsverein “Donum vitae”, der von Katholiken gegründet wurde, plädiert für ein solches Gesetz. Belästigungen und Bedrängnis gegenüber den betroffenen Schwangeren durch Dritte zum Schutz des ungeborenen Lebens seien kein geeignetes Mittel im Umgang mit den ethischen und persönlichen Herausforderungen eines Schwangerschaftskonflikts. Der Verein spricht sich allerdings dafür aus, genauer zu differenzieren, welche Aktionen Abtreibungsgegner vornehmen.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Bundesärztekammer, der Deutsche Städtebund sowie der Deutsche Juristinnenbund äußerten sich positiv zu dem geplanten Gesetz. In einem Interview hatte zudem der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch Verständnis für das Vorhaben der Bundesregierung geäußert. Er halte einen Spießrutenlauf von Frauen vor Beratungsstellen und Abtreibungspraxen für unzumutbar, so Koch.
Verfassungsrechtliche Bedenken äußerte dagegen der Kirchenrechtler Christian Hillgruber. Es solle Verhalten bestraft werden, bei dem lediglich Grundrechte ausgeübt würden. Im einzelnen seien das die Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und unter Umständen auch die Religionsfreiheit. Auch der Rechtsanwalt Tomislav Cunovic, der die Initiative “40 Days for Life International” vertritt, kritisierte das Vorhaben.