Predigttext
11,1 Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. 2 In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen. (…) 8 Durch den Glauben wurde Abraham gehorsam, als er berufen wurde, an einen Ort zu ziehen, den er erben sollte; und er zog aus und wusste nicht, wo er hinkäme. 9 Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen im Land der Verheißung wie in einem fremden Land und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung. 10 Denn er wartete auf die Stadt, die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist. 11 Durch den Glauben empfing auch Sara, die unfruchtbar war, Kraft, Nachkommen hervorzubringen trotz ihres Alters; denn sie hielt den für treu, der es verheißen hatte. 12 Darum sind auch von dem einen, dessen Kraft schon erstorben war, so viele gezeugt worden wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres, der unzählig ist. (…) 39 Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen und doch nicht die Verheißung erlangt, 40 weil Gott etwas Besseres für uns vorgesehen hat: dass sie nicht ohne uns vollendet würden. 12,1 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns umstrickt. Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, 2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. 3 Gedenkt an den, der so viel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, dass ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.
Palma de Mallorca! Vor mir auf dem Tisch liegt eine Ansichtskarte dieser malerischen Stadt mit einer Briefmarke, die noch in Peseten zu zahlen war. Jetzt ist sie fein eingesteckt in ein Album mit vielen Fotos und anderen „Erinnerungshelfern“ an diese Traumreise damals.
Palmsonntag in Malle! Noch dazu in der überwältigend schönen „La Seu“ oder „Kathedrale des Lichts“ die auf der Karte abgebildet ist. Palmen wehen vor dem Bauwerk zur Seeseite hin. Prozessionen kamen aus der Richtung und tun es in diesem Jahr, wenn irgend möglich, wohl auch. Denn der Sonntag vor Ostern wird nicht nur als festlicher Gottesdienst gefeiert, er ist ein Ereignis, das die Kirche, die Stadt, ja die ganze Insel ergreift. In dem Album findet sich denn auch ein Stück Palmwedel, mit dem wir der schließlich über den Mittelgang einziehenden Jesusfigur zuwinkten.
Für uns Evangelische war diese nun lange zurückliegende Reise auch sehr befremdlich und im Verlauf der Karwoche sahen wir auch Umzüge, deren finstere, ja peitschende Strenge uns unheimlich war. Aber sie öffnete auch die Augen für andere Arten des Christsein und des gemeinsamen Glaubens an den „Gott der Väter“.
Christen sind unterwegs in einer „Wolke von Zeugen“(12,1). Die reicht weit zurück in die Geschichte und ist teilweise auch sehr fremd und lässt doch zugleich ahnen, dass sie bis weit in die Zukunft fortgesetzt werden wird. Der Vergleich mit einer „Wolke“ meint eine dicht gedrängte Schar, hier aber über die Zeiten hinweg. Was sie alle geradezu unfassbar und auch geheimnisvoll zusammenhält und gemeinsam agieren lässt, ist die feste Zuversicht (11,1).
Luther hat einmal die Bandbreite dieses Wortes aufgezählt: Es sei „Substanz, Ursache, Grundlage, Wesenheit, Besitz, Vermögen“. Durch solchen „Beweis, Garantie, Bürgschaft“ wird Gott für den Menschen so stark, dass er trotz alles Widerspruchs des Sichtbaren von der Wirklichkeit des Unsichtbaren überführt wird und sich nach ihr richtet. Das ist die Quintessenz aus dem, was die Glaubenszeugen erfahren haben.
Wie in einem kleinen Katechismus werden nun die einzelnen Vorbilder aufgeführt. Nicht ihre Schicksale und Taten, sondern ihre Zuversicht waren und sind das Entscheidende, was man von ihnen lernen kann. Sie haben nicht die Vollendung „gesehen“ oder strahlende Visionen einer jenseitigen Welt, sondern haben ganz irdische „Zeugnisse“ von Gottes Reich erlebt, Zeichen (11,19) und damit vielleicht sogar einen „Beweis“ für Gottes Reich erhalten.
Noah hat eine Arche gebaut, Mose hat aus der Sklaverei geführt. Alles Aktionen für das Leben, das sehr irdische Leben! Isaaks Opfer ist offenbar schon in sehr frühen Predigten der alten Kirche als Hinweis auf die Auferstehung Jesu verstanden worden, die endgültig den Raum für neues, nicht bedrohtes und nicht gefährdetes Leben geöffnet hat.
Die Wolke der Zeugen, die in Kapitel 11 beschrieben wird, könnte genauso in einer Tora-Schule behandelt werden. Es sind – in Auswahl – die großen Gestalten der jüdischen Geschichte, der Menschen des ersten Bundes, die hier aufgeführt werden. Auch das Vertrauen dieser Vorbilder, ihr Glaube ohne zu schauen, wäre in beiden Religionen in gleicher Weise vorbildlich. Erst in Vers 12,2 liegt der Unterschied, weil hier Jesus als Anfang und Ende dieser festen Zuversicht genannt wird. Wie bei Dietrich Bonhoeffer, Jochen Klepper, Martin Luther King. Wie bei Greta Thunberg vielleicht auch?
Aber die Perspektive für dieses Jahr? Für mich? Für uns? – Reisen? – Gesundheit? Ostern mit oder doch ohne Singen? – Gemeinde? Gesellschaft? Die Devise kann nur heißen (12,3): Gedenken! Nachdenken! Und den Mut nicht sinken lassen.