Frieden ja – aber nicht zu den Bedingungen des Aggressors. Der ukrainische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk nutzt die Chance, Kanzler Scholz und die Kirchen um weitere Unterstützung der Ukraine zu bitten.
Der ukrainische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk ruft die internationale Gemeinschaft auf, die Ukraine weiter zu unterstützen. “Wir wollen Frieden aus ganzem Herzen und ganzer Seele”, sagte er am Dienstagabend in Berlin – aber nicht um jeden Preis. Nötig sei ein “gerechter Frieden, weil nur ein gerechter Frieden authentisch und nachhaltig sein wird”. Dagegen dürften weder die Demokraten der Welt noch die Kirchen einen Frieden gutheißen, der Aggression als erfolgreiche Methode akzeptiere.
Der Vertreter der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche äußerte sich in einer Festrede beim Michaelsempfang der katholischen Kirche für Vertreter aus Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Prominentester Vertreter der Bundesregierung war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Der Krieg habe sich in einen Marathon verwandelt, bei dem die Ukrainerinnen und Ukrainer permanent im Sprinttempo laufen müssten, um in diesem Todesrennen nicht geschlagen zu werden, so Schewtschuk weiter laut vorab verbreitetem Redemanuskript: “Ich bitte Sie, mit uns zu laufen – schnell, standhaft und furchtlos”. Russland weigere sich, die Ukraine rechtlich als Staat anzuerkennen und verwehre ihr ein ureigenes Existenzrecht.
Es sei politisch verfehlt und strategisch unklug zu glauben, die Logik, die demokratische Nationen und Völker leite, gelte auch für totalitäre Machthaber und Diktatoren. Stattdessen sei ein Bekenntnis zur Demokratie notwendig. Die Demokratie sei es wert, “auch um den Preis des eigenen Wohlbefindens, der eigenen Gesundheit und sogar des eigenen Lebens verteidigt zu werden”.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, betonte in seiner Ansprache, dass die katholische Kirche weiter solidarisch an der Seite des angegriffenen Landes stehe: “Die Selbstverteidigung der Ukraine ist legitim, ebenso die Unterstützung der Ukraine durch große Teile der internationalen Gemeinschaft.” Jede Form der Verherrlichung des Krieges sei Katholiken fremd, aber es gebe Situationen, in denen nach menschlichem Ermessen auf den militärischen Widerstand nicht verzichtet werden könne.
Zugleich kritisierte der Limburger Bischof die russisch-orthodoxe Kirche. Es sei abstoßend zu sehen, wie sie sich zur Stichwortgeberin und Claqueurin der Moskauer Regierung gemacht habe. Bischof Schewtschuk dagegen habe 2022 auf der Todesliste einer russischen Spezialeinheit gestanden und sei einem Anschlag nur knapp entronnen. “Sie stehen stellvertretend für das Zeugnis vieler in der Ukraine”, würdigte Bätzing den Großerzbischof: “Es ermutigt uns, den verbrecherischen Realitäten ins Gesicht zu schauen und zugleich über die Gewalt hinaus zu denken”.