Kritikern gilt das frühere Oberhaupt der griechisch-katholischen Kirche der Ukraine, Andrej Scheptyzkyj, als Nationalisten-Bischof. Dennoch trägt nun eine Stadt den Namen des Geistlichen.
Eine westukrainische Stadt trägt ab sofort den Namen des früheren Oberhaupts der griechisch-katholischen Kirche des Landes, Großerzbischof Andrej Scheptyzkyj (1865-1944). Das ukrainische Parlament beschloss am Donnerstag die Umbenennung von Tscherwonohrad im Rahmen der sogenannten Dekommunisierung, also der Ersetzung von sowjetischen oder kommunistischen Bezeichnungen. Insgesamt bekamen landesweit 328 Kommunen einen neuen Namen, wie die Vizepräsidentin des Parlaments, Olena Kondratjuk, mitteilte.
Die sowjetischen Behörden hatten der einst polnischen Stadt Krystynopol im Jahr 1951 den Namen Tscherwonohrad gegeben, was übersetzt “Rote Burg” bedeutet. Der Geistliche Scheptyzkyj legte 1892 in einem Kloster des Ortes sein Mönchsgelübde ab und unterrichtete später dort Theologie. Als Großerzbischof von Lwiw (Lemberg) leitete er von 1901 bis zu seinem Tod 1944 die mit Rom verbundene ukrainische griechisch-katholische Kirche. Die jetzt nach ihm benannte Stadt hat etwa 60.000 Einwohner und liegt in der Nähe der Grenze zu Polen. Der bisherige Rajon (Landkreis) Tscherwonohrad heißt gemäß dem Parlamentsvotum nun ebenfalls nach dem einstigen Kirchenoberhaupt.
Kondratjuk erklärte, man müsse “Narrative und Propaganda des Kremls” aus dem Namen von Städten und Dörfern streichen. “Denn das ist auch ein Krieg um die ukrainische Identität, die Russland zu zerstören versucht”, schrieb die Politikerin der Regierungspartei Diener des Volkes auf der Online-Plattform X.
In einer Abstimmung hatten sich 2023 laut ukrainischen Medienberichten knapp 1.300 Bürger von Tscherwonohrad für die Beibehaltung des Namens ausgesprochen. Rund 1.000 waren für den früheren Namen Krystynopol, für Scheptyzkyj hingegen nur etwa 100. Das Parlament in Kiew entschied nun anders und verabschiedete die Namensänderungen mit großer Mehrheit.
Für Scheptyzkyj läuft ein Seligsprechungsverfahren. 2015 erkannte Papst Franziskus den sogenannten heroischen Tugendgrad Scheptyzkyjs an – eine wichtige Etappe für die Erhebung zur Ehre der Altäre. Der Großerzbischof hatte im Zweiten Weltkrieg Dutzende Juden vor dem Holocaust gerettet. Er versteckte laut Historikern in seinem Haus auch 15 Rabbiner, darunter den Oberrabbiner der polnischen Streitkräfte, David Kahane (1903-1998).
Scheptyzkyj ist allerdings vor allem im Ausland umstritten. Denn er begrüßte die Aufstellung der ukrainischen SS-Division “Galizien” und berief Priester für sie. Zudem weigerte er sich, Verbrechen ukrainischer Nationalisten an der polnischen Zivilbevölkerung zu verurteilen.