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Nicht nur Türöffner, auch Seelenöffner

Yamas aus Griechenland ist der erste offizielle Pädagogik-Begleithund in den Diensten der Landeskirche

Ob bei Beratungen, Seelsorge-Gesprächen, in Workshops oder im Unterricht: Überall, wo die Gemeindepädagogin Carina Kuznik in Aktion tritt, ist ihr Begleithund Yamas dabei. Für sie ist er eine enorme Bereicherung ihrer Arbeit.

Die Pause an der Hertener Christy-Brown-Förderschule für körperlich behinderte Kinder und Jugendliche ist gerade zu Ende gegangen und die Schülerinnen und Schüler begeben sich in ihre Räume. Die Pädagogin und Diakonin Carina Kuznik vom Pädagogischen Institut der Evangelischen Kirche von Westfalen in Schwerte-Villigst kommt in den Raum der Abschlussklasse, gefolgt von ihrem Hund Yamas, den die Jugendlichen sogleich begeistert begrüßen. Vor dem Sofa, das am Rand des Raumes steht, legt er sich auf den Boden und beobachtet gelassen alle Anwesenden im Raum, als wäre der Klassenraum sein Wohnzimmer. Er fühlt sich bei der Klasse sichtlich wohl, Scheu vor den jungen Leuten hat er nicht. Die ganze Aufmerksamkeit der Schüler liegt nun auf ihm. Kuznik kommt mühelos mit den Jugendlichen ins Gespräch über die letzten Tage.

Die Klasse ist nämlich gerade in einer Religiösen Schulwoche: Eine Woche lang werden täglich eine oder zwei Unterrichtsstunden durch Gruppengespräche, Workshops und ähnliche Angebote ersetzt. Fachkräfte vom Pädagogischen Institut, der Lippischen Landeskirche und den katholischen Bistümern Münster und Paderborn begleiten die Gruppen. Theologiestudenten und angehende evangelische und katholische Religionslehrer komplettieren das Team.

„Am Anfang war es komisch, dass immer der Hund dabei war, aber jetzt ist es ganz normal“, erzählt ein Schüler in der Abschlussklasse von den Gesprächsgruppen. „Wir könnten sogar Unterricht nur mit Yamas machen, also ohne Lehrer, das war beim ersten Mal schon cool. Mit Yamas ist bei Gesprächen immer alles so entspannt.“ Ein anderer Schüler lobt diese willkommene Abwechslung zum normalen Schulalltag und fragt scherzhaft, ob man Yamas dauerhaft in der Schule behalten könne. „Ist das in Ordnung für dich?“, fragt Kuznik einen Jugendlichen im Raum, der vor Hunden eine gewisse Angst hat. Dieser stimmt zu. „Er sitzt einfach nur da und ist froh, dabei zu sein“, erklärt Kuznik „Schön, dass du das annimmst.“

Gesprächsgruppen statt normalem Unterricht

Die Religiösen Schulwochen richten sich an Schülerinnen und Schüler ab dem achten Schuljahr, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Dabei werden in den Gesprächsgruppen oft Themen wie Glaubensfragen, Lebensorientierung, Werte, Identität, Familie, Zukunftspläne, Liebe, Tod und Trauer angesprochen. „Wir kommen nie mit einem genauen Plan, alle Themen sind selbst gewählt“, erklärt Kuznik. „Es geht darum, eine christliche Perspektive kennenzulernen.“

Seit November 2021 gehört Carina Kuznik zum Team des Pädagogischen Instituts Villigst. Zu den Hauptaufgaben der Diakonin und Gemeindepädagogin gehören Religiöse Schulwochen und die Konfirmandenarbeit. Bei all ihren Angeboten ist Yamas als pädagogischer Begleithund dabei, ob im Büro, in Schulen, bei Lehrgängen und Workshops im Haus Villigst oder bei Predigerseminaren. „Wenn Seelsorge-Interessenten in mein Büro kommen, dann setzen sie sich auf den Teppich, Yamas legt sich dazu und alles ist völlig entschleunigt“, erzählt sie. „Die Stühle vor meinem Schreibtisch werden fast nie genutzt.“

Zufallsbekanntschaft am Strand von Griechenland

Sie und Yamas sind seit August 2019 ein Team. Zu dieser Zeit begleitete sie in Griechenland eine Gemeinde-Sommerfreizeit mit Jugendlichen. Wie sie erzählt, fing es damit an, dass der herrenlose Hund die Jugendgruppe am Strand permanent verfolgte und ab dem dritten Tag bei allen Strandspaziergängen, Gruppenaktivitäten und Gottesdiensten dabei war. „Die Freude, als wir am letzten Tag der Gemeindefreizeit gesagt haben, dass wir ihn mitnehmen, hatte ich nie zuvor erlebt“, erzählt Kuznik. „Vorher hat ihn ein griechischer Tierarzt untersucht, entwurmt und geimpft. Bei der Rückfahrt – 17 Stunden auf der Fähre und 25 Stunden im Reisebus – hat sich das Team total um den Hund gekümmert und aufgepasst, dass es ihm gut geht. Das hat viel mit der Gruppe gemacht.“

Zurück in Deutschland folgte eine Begleithundeausbildung in Mönchengladbach. Seitdem ist Yamas der erste offizielle pädagogische Begleithund in den Diensten der westfälischen Landeskirche. „Seitdem habe ich immer die ruhigsten Konfirmandengruppen“, berichtet Kuznik. „Alle wollen, dass der Hund dabei ist und dass es ihm gut geht. Türöffner gibt es viele, aber Yamas ist ein echter Seelenöffner. Mit ihm komme ich ohne Hürden mit Menschen ins Gespräch, ungezwungen und auf Augenhöhe. Das ist eine unfassbare Bereicherung meiner Arbeit.“

Sie macht immer wieder die Erfahrung, dass Yamas seelisches Leid, Stress, Druck, Angst und Unwohlsein spürt und dann die Nähe zu dem Menschen sucht. „Er bietet sich an. Er ist da. Er schweigt gemeinsam und kuschelt. Er vermittelt ein Gefühl von ‚Ich sehe dich und ich lasse dich damit nicht allein!‘“ Dabei gebe es für alle Beteiligten nur eine goldene Regel: Wenn Yamas auf seinem „Gebetsteppich“ – einer Badezimmermatte – liegt, darf man ihn nicht stören.

„Zu tiergestützter Pädagogik gibt es ganze Seminare und Lehrbücher, aber zu tiergestützter Gemeindepädagogik gibt es noch gar nichts“, erklärt Kuznik. „Mein Traum wäre, wenn wir in Villigst irgendwann auch Lamas haben und die bei unseren Angeboten einsetzen.“