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Traum einer besseren Welt

Über Trauer und Trost schreibt Frank Engelbrecht. Er ist Pastor der Hamburger Hauptkirche St. Katharinen.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen.“ aus Jesaja 65, 17-25
Zum letzten Sonntag des Kirchenjahres legt der Prophet Jesaja uns sein Lied vom neuen Himmel und der neuen Erde ans Herz, die Gott so wunderbar erschafft, dass wir der alten Erde nicht mehr gedenken.
Die alte Erde, das sind die Stunden des Abschieds, die sich widersinnig anfühlen, weil wir uns doch zu Lebzeiten geschworen haben: „Du bist mein Leben. Wir gehören für immer zusammen!“ Was bleibt davon am Grabe der Geliebten, der Mutter, des Vaters, des Freundes, der Freundin, oder gar meines Kindes? Wer lindert den Schmerz meiner Sehnsucht, ohne die Sehnsucht kleinzureden, in der doch der Herzschlag unserer Gemeinschaft weiterschlägt?
„Weine nicht, sie sind im Himmel!“, sagen die einen. Ein schwacher Trost; denn ich vermisse sie doch hier auf Erden. „Werde erwachsen!“, sagen andere. „Alle müssen sterben. Was verschwendest du deine Tage mit Tränen über eine Illusion von Ewigkeit?“
Das tröstet auch nicht. Wir können das „Für immer dein!“ in der Todesstunde nur zur Illusion erklären, wenn wir unser Herz versteinern.„Gott bewahre!“, fährt Jesaja mit seinem Lied vom neuen Himmel und der neuen Erde dazwischen, in dem Wolf und Lamm beieinander weiden, alle mehr als 100 Jahre alt werden, Arbeit haben, davon leben können und niemand den anderen ausnutzt.
Mit diesem Lied auf den Lippen umschifft er die Klippen von Vertröstung und trostlosem Realismus und setzt unsere Sehnsucht ins Recht. Denn genauso hat die Welt sich doch angefühlt, als die Geliebten noch bei uns waren. Bei ihnen fanden wir Frieden und den Mut zum Traum von einer besseren Welt.
 „Lasst euch diesen Traum nicht austreiben!“, ruft uns Jesaja zu. „Er ist das Kind unserer Sehnsucht, das gegen die Wirklichkeit des Todes die Wahrheit des Lebens hochhält, dem Tode in Gottes Namen eine Grenze setzt und uns die Gewissheit einpflanzt: Wir sehen uns wieder! Der Traum vom neuen Himmel und der neuen Erde, den alle Liebenden mit Gott träumen, ist dafür da, in Erfüllung zu gehen.“
Unser Autor
Frank Engelbrecht
ist Pastor an der Hauptkirche St. Katharinen in Hamburg.
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.