Als Kind habe er gedacht, die großen Rennen wie die Tour de France seien nur für Weiße, sagte Biniam Girmay in einem Interview. Jetzt ist der 24-jährige Eritreer offiziell einer der schnellsten Rennradfahrer der Welt. Als erster schwarzer Afrikaner holte er sich bei dieser Tour de France seinen bereits dritten Etappensieg und hat gute Chancen, das grüne Trikot des besten Sprinters bis zum Ziel in Nizza zu verteidigen.
Er dankte Gott und seine Eltern für die Unterstützung und sagte zu seinen afrikanischen Kollegen: „Jetzt sind wir Teil der großen Rennen.“ Und Teil derer, die sie gewinnen. Girmay fährt seit 2021 für das belgische Profi-Team Intermarché-Wanty und ist zum Idol vieler junger Sportler aus seiner Heimat geworden.
In Ostafrika boomt der Radsport
In Eritrea ist das Radfahren Volkssport, erste Rennen gab es schon während der italienischen Kolonialbesatzung. Inzwischen zieht die Begeisterung für den Radsport aber weite Kreise in der Region. In Ruanda etwa rasen seit 1988 jedes Jahr hunderte Rennradfahrer durch das kleine Binnenland, auch „Land der Tausend Hügel“ genannt: 740 Kilometer in acht Tagen, bei 13.724 Höhenmetern. Die Tour du Rwanda ist das älteste, größte und wichtigste Radrennen auf dem afrikanischen Kontinent. Die Platzierungen zählen für die Rangliste des internationalen Radsport-Verbands UCI.
Das half auch Biniam Girmay in seiner professionellen Karriere. Als erste schwarzer Afrikaner gewann er 2022 eine Etappe des Giro d’Italia. Ciarán Fitzpatrick leitet die Entwicklungsabteilung beim kenianischen Profi-Team „Kenyan Riders“. Der Ire lebt seit vielen Jahren in Iten, dem Sportstandort in Kenia schlechthin, 2.400 Meter über dem Meeresspiegel. Das ganze Jahr über trainieren dort Profi-Sportler aus aller Welt im Höhenlager. Die guten Bedingungen seien eine gute Grundlage für den Sport, sagt Fitzpatrick.

Wenige afrikanische Fahrer schaffen Sprung ins Profi-Team
Dass nicht mehr afrikanische Radfahrer an Rennen in Europa teilnehmen, liege an strukturellen Barrieren, erklärt er. Die Reisen und das Equipment seien für die Fahrer schwer zu finanzieren, wenn sie nicht Teil eines Profi-Teams seien. Auch die Beschaffung von Visa für Rennen in Europa könne zum Problem werden. Doch nicht nur bei ambitionierten Sportlern und Sportlerinnen erfreut sich das Radfahren wachsender Beliebtheit. Auch wenn in großen Teilen der Gesellschaft Radfahren mit Armut verbunden ist, entdecken immer mehr Menschen aus der wachsenden Mittelschicht das Radeln als Hobby für sich.
In Kenias Hauptstadt Nairobi gibt es mittlerweile ein jährliches Rennen, das Grand Nairobi Bike Race, bei dem nicht nur Profis, sondern auch Kinder und Familien starten. Außerdem mit dabei: die „Black Mambas“. So werden die Räder ohne Gangschaltung genannt, die oft Menschen fahren, die kein Geld für andere Verkehrsmittel haben. Benannt sind sie nach der Schwarzen Mamba, einer der gefährlichsten Giftschlangen der Welt.

Auch Salome Kanini tritt in der Kategorie an, obwohl in ihrem Fuhrpark noch ganz andere Räder stehen. Die 36-jährige Kenianerin hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen im Radsport zu fördern. Mit ihrer Initiative „Dada Rides“ – Dada heißt „Schwester“ auf Suaheli – organisiert sie Rennen für ambitionierte Fahrerinnen, aber auch Trainings für Anfängerinnen.