Die prägende Bedeutung der Ulmer Hochschule für Gestaltung (HfG) für das Design von Gebrauchsgegenständen wie Stühle oder Geschirr hat ein umfassendes Forschungsprojekt nachgezeichnet. In ihren Untersuchungen, die von der Volkswagenstiftung mit insgesamt 488.500 Euro finanziert wurden, beschreiben die Historiker Christopher Haaf und Linus Rapp, wie die HfG in der kurzen Zeit ihres Bestehens von 1953 bis 1968 stilbildend durch große internationale Ausstellungen wie etwa in Mailand oder Rio de Janeiro wurde. Wie Linus Rapp bei der Präsentation der zwei Doktorarbeiten am Freitag im Archiv der HfG erläuterte, können die Entwicklungen der HfG auch heutigen Ausstellungsmachern Anregungen geben, wie ein breites Publikum Zugang zu den Inhalten findet oder welche Systeme am besten geeignet sind, wenn eine Ausstellung an mehreren Orten gezeigt werden soll.
Die Forschungsarbeiten zeigten, welches Berufsbild für Designer der HfG vorgeschwebt habe. Die Designer sollten verantwortungsvolle Personen sein, die Probleme durchdringen können und seriöse, professionelle Lösungen finden. Außerdem stellt das Forschungsprojekt die grundlegende Konzeption der HfG vor: Als bewusstes Gegenbild zu der Nazi-Diktatur sei die HfG von einem „mündigen, demokratischen Menschen“ ausgegangen und habe deshalb bei ihrem „Design für Gebrauchszwecke“ auf Objektivität und Sachlichkeit gesetzt.
Zu den prägenden Persönlichkeiten der HfG gehörten Inge Aicher-Scholl (1917-1998), eine Schwester der NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl, und Otl Aicher (1922-1991), der ebenfalls dem Nazi-Regime kritisch gegenüberstand. Aicher war insbesondere durch seine Piktogramme und Plakate für die Olympiade 1972 in München stilbildend für modernes Design. Die umfassenden Monografien von Haaf und Rapp wurden als Dissertationen an der Folkwang Universität der Künste Essen eingereicht. (2811/13.12.2024)