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Stichwahl in Polen – erste Runde der Präsidentenwahl ohne Sieger

Obwohl der liberalkonservative Rafal Trzaskowski knapp vorne liegt, gilt nun der nationalpopulistische Karol Nawrocki als Favorit für die Stichwahl. Entscheiden könnten am Ende die Stimmen aus dem rechten Lager.

Um das polnische Präsidentenamt kommt es zu einer Stichwahl zwischen dem liberalkonservativen Rafal Trzaskowski und dem nationalkonservativen Oppositionskandidaten Karol Nawrocki. Laut dem am Montag von der Wahlkommission veröffentlichten Endergebnis gewann der Warschauer Bürgermeister Trzaskowski mit 31,4 Prozent die meisten Stimmen im ersten Wahlgang am Sonntag. Er gehört der Bürgerplattform (PO) von Regierungs- und Parteichef Donald Tusk an.

Mit nur geringem Abstand belegte demnach Nawrocki Platz zwei mit 29,5 Prozent. Der parteilose Historiker wird massiv von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unterstützt, die Polen bis 2023 regierte und in Konflikt mit der EU-Kommission geriet. Auf den Plätzen drei und vier folgen die Rechtsextremisten Slawomir Mentzen (14,8 Prozent) und Grzegorz Braun (6,3).

Mehrere polnische Zeitungen räumen nun Nawrocki die größeren Chancen auf einen Sieg in der Stichwahl am 1. Juni ein. Er könne dann auf die Wähler von Mentzen und Braun bauen, meinen sie. Der Nationalkonservative warb am Sonntagabend um diese: “Es ist Zeit, Polen zu retten.” Man müsse verhindern, dass das aktuelle Regierungslager die ganze Macht im Land übernehme und künftig auch den Präsidenten stelle. Ministerpräsident Tusk wolle den Euro in Polen einführen und den europäischen Migrationspakt umsetzen, betonte der 42-Jährige. Sowohl Nawrocki als auch Trzaskowski riefen für das Wochenende zu Großdemonstrationen in Warschau auf.

Am Sonntag hatten sich elf Männer und zwei Frauen um das Amt des Staatsoberhaupts beworben. Die Wahlbeteiligung lag bei 67,3 Prozent. Sie blieb demnach klar unter der Rekordbeteiligung von 74 Prozent bei der Parlamentswahl im Herbst 2023.

Der liberalkonservative Trzaskowski (53) sagte am Sonntagabend vor seinen Anhängern, er wolle die Wahl für alle gewinnen, die die ehemalige PiS-Regierung “kaputt gemacht hat – für Frauen, Lehrer, Senioren, die junge Generation, für Unternehmer, für die arbeitende Bevölkerung”. Trzaskowski weiter: “Wir müssen mit der PiS abrechnen.” Es gehe ihm auch um eine Liberalisierung des strikten Abtreibungsgesetzes.

Der frühere linke Staatspräsident Aleksander Kwasniewski (1995-2005) zeigte sich unterdessen entsetzt über den vierten Platz des ultrarechten Braun. Sein Ergebnis zeige, dass Antisemitismus in Polen weiter verbreitet sei als angenommen. Braun hatte in den vergangenen Jahren mit judenfeindlichen Übergriffen und Aussagen landesweit für Aufsehen gesorgt. Er ist Mitglied des Europäischen Parlaments. Brauns starkes Abschneiden bereitet auch dem deutschen EU-Abgeordneten David McAllister (CDU) Sorgen, wie er dem Deutschlandfunk am Montag sagte. Braun sei ein “offen agierender rechtsradikaler Antisemit”.