Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seinen Amtssitz am Dienstag für drei Tage ins brandenburgische Neuruppin verlegt. Zum 16. Mal besucht das Staatsoberhaupt in seiner Reihe „Ortszeit“ eine kleinere deutsche Stadt, um sich vor Ort ein eigenes Bild über Themen und Sorgen der Menschen zu machen. Das Format gebe die Möglichkeit, „tief einzutauchen“, sagte er zum Auftakt seines Besuchs – und kündigte an, das Format bis zum Ende seiner Amtszeit im März 2027 fortsetzen zu wollen.
Zum zweiten Mal macht Steinmeier eine „Ortszeit“-Station in Brandenburg, zum neunten Mal bereits in Ostdeutschland. Seit 2022 gibt es die Reihe. Die Idee dafür sei durch die Corona-Pandemie entstanden, sagte Steinmeier. Während der Lockdown geendet sei, sei der Gesprächsstillstand geblieben, konstatierte Steinmeier. Inzwischen geht es bei den Besuchen aber auch um andere Themen. Bei der für Mittwoch geplanten „Kaffeetafel kontrovers“ in Neuruppin soll es zum Beispiel darum gehen, was sich seit der Wiedervereinigung vor 35 Jahren gut und schlecht entwickelt hat.
In Neuruppin kam der Bundespräsident nach seiner Ankunft mit dem Regionalzug aus Berlin mit Bürgermeister Nico Ruhle (SPD) und Stadtverordneten zum Gespräch zusammen. Steinmeier hob die Bedeutung ehrenamtlichen Engagements in der Kommunalpolitik hervor. Dies dürfe nicht vergessen werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Auseinandersetzungen heute unversöhnlicher geführt würden und es Beschimpfungen gebe, sagte er.
Auf dem Programm bis Donnerstag stehen unter anderem auch ein Unternehmensbesuch, eine Kaffeetafel mit Bürgerinnen und Bürgern, ein Besuch im Amtsgericht mit einem Gespräch über häusliche Gewalt sowie eine Drachenbootfahrt auf dem Ruppiner See. Für Steinmeier ist es der zweite Besuch als Bundespräsident in Neuruppin. 2019 redete er bei der Festveranstaltung zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Theodor Fontane (1819-1898), der in Neuruppin geboren wurde.
Bürgermeister Ruhle erhofft sich vom Besuch des Bundespräsidenten möglichst viele Begegnungen zwischen Politik und Bürgern. Steinmeier zeige mit diesem Besuch, wie wichtig es sei, an die Basis zu gehen, sagte der Stadtchef dem epd. „Ich kann ihn darin nur bestärken“, ergänzte er. Kontakte von Bürgerinnen und Bürgern mit Verantwortungsträgern seien in den vergangenen Jahren nicht so geschehen, wie er es sich wünsche.
Der Bürgermeister geht davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt den Kontakt zum Staatsoberhaupt suchen und auch Unmut äußern werden. Vom Bundespräsidenten als „moralische Instanz“ erwartet Ruhle, dass er versucht, gemeinsame Werte zu betonen. „Wir alle merken, die Fliehkräfte in der Politik und der Gesellschaft sind enorm geworden“, sagte er und ergänzte: „Wir sind in einer Bewährungsprobe, was die Staatsform Demokratie angeht.“ Der Bundespräsident sei die geeignete Person, diese Herausforderung auf den Punkt zu bringen.