Sie begab sich selbst in Lebensgefahr, um das Leben von Juden zu retten: Margarete Hoffer (1906-1991) war eine der ersten Frauen, die Theologie studierte und während des Zweiten Weltkrieges als Vikarin „auf Kriegsdauer“ für die württembergische Landeskirche in Schwenningen arbeitete.
Sie war Teil der sogenannten „Pfarrhauskette“. Deren Mitglieder, die untereinander in Kontakt standen, versuchten vor allem in den letzten zwei Jahren der NS-Zeit, Juden in Pfarrhäusern und an anderen Orten zu verstecken. Oft wechselten die Untergetauchten mehrmals von einem Pfarrhaus zum nächsten.
In dem biografischen Roman „Die Vikarin“, der im Gerth-Verlag (Wetzlar) erschienen ist, schildert Autorin Brigitte Liebelt, die selbst in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) lebt, den Mut und die Kompromisslosigkeit der jungen Frau: „Am meisten beeindruckt hat mich ihre Bereitschaft, sich, ihr Leben, ihre Zeit, Kraft und Bequemlichkeit, rückhaltlos zur Verfügung zu stellen, ohne nach den Kosten zu fragen“, sagt die Autorin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der Leser wird durch die Geschichte der fiktiven Elly Haller, die sich mit der Österreicherin Margarete Hoffer bereits in ihrer Zeit in Wien anfreundet, intensiv in die damalige dunkle Zeit hineingenommen. In Wien engagiert sich Hoffer in der schwedischen Mission und unterrichtete als Religionslehrerin auch jüdischstämmige Schülerinnen, die nach dem „Anschluss Österreichs“ unterdrückt und verfolgt werden.
Margarete Hoffer verlässt Österreich und kommt über Berlin und Stuttgart nach Schwenningen. Auch dort versucht sie, so lange es geht, ihren ehemaligen Schülerinnen aus Wien, die in den Ghettos von Lodz und Kielce leben, Pakete zu schicken. Sie wird Mitglied der württembergischen Sozietät, einem theologischen Arbeitskreis innerhalb der Bekennenden Kirche, der sich für verfolgte Juden einsetzt. Auch Hoffer engagiert sich und begleitet Juden an die stark bewachte deutsch-schweizerische Grenze. Doch nicht immer gelingt die Flucht: Eines Tages verrät eine festgenommene Frau den Grenzpolizisten Hoffers Namen. Glücklicherweise erhält diese nur eine Geldstrafe.
Außerdem ist Hoffer in der „Pfarrhauskette“ aktiv: 1943 gelangte die Jüdin Herta Pineas aus München in das Schwenniger Pfarrhaus, in dem Margarete Hoffer und die Pfarrfrau Lotte Kurz mit ihren Kindern lebte. Später kam auch der Ehemann, der Neurologe Hermann Pineas, dazu. Sie verstecken sich einen ganzen Winter dort, aber müssen immer wieder das Quartier wechseln, um nicht aufzufallen.
Auch Margarethe Sterneck, eine berühmte Opernsängerin aus München, lebte mehr als ein ganzes Jahr lang im Johannespfarrhaus. Doch während eines Luftangriffs am 22. Februar 1945 setzt sie dort aus Verzweiflung ihrem Leben ein Ende. Damit die Helfer der Pfarrhauskette nicht auffliegen, wird die Verstorbene als evangelische Polin unter einem Decknamen beerdigt. Mehrmals wird das Pfarrhaus durchsucht und zeitweise auch Hoffers Briefwechsel kontrolliert, was zeigt, wie gefährlich die Vikarin damals lebte.
Ohne viel Aufhebens versuchte die damals Mittdreißigjährige zu helfen, wo es ging. Wie der historische Roman zeigt, war sie in Schwenningen nicht die einzige, die Widerstand gegen das Regime leistete: Bekannt war vor allem Pfarrer Gotthilf Weber, der sich öffentlich gegen das Unrecht aussprach, Fürbitte-Gottesdienste für Politisch Verhaftete abhielt und sich weigerte, einen Eid auf Adolf Hitler zu leisten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg legte Margarete Hoffer als dritte Frau überhaupt in evangelischer Theologie an der Universität Tübingen im Juli 1947 die Doktorprüfung ab und zog dann wieder nach Österreich, wo sie bis zu ihrem Tod am 17. März 1991 lebte und als Theologin aktiv war. 2012 wurde sie posthum von der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet.
Margarete Hoffer schrieb dagegen in einem Brief 1987, dass es doch „so lächerlich wenig“ gewesen sei, was man damals tat und tun konnte. „Das, was einen im so engen und längeren Zusammenleben mit diesen Gejagten am meisten belastete, war nicht die stete (…) Angst vor Entdeckung (….), sondern das Mit-Spüren ihrer ununterbrochenen Anspannung und Angst, und diese Scham, teilzuhaben an dieser entsetzlichen Schuld, an diesem schweigenden ‘Zuschauen des Volkes’.“