Überall im Senegal sind Kutschen unterwegs, die Waren und Menschen transportieren. Das ist wirtschaftlich – wenn die Pferde gesund und gut gepflegt sind.
Überall in Rufisque kündigt Hufgeklapper die Kutschen an. Mit Pferden wird in der Stadt im Großraum der senegalesischen Hauptstadt Dakar bis heute so ziemlich alles transportiert: Zement für den Hausbau, schwere Einkäufe, Wasser in gelben Kanistern. Auch die Müllabfuhr kommt auf zwei Rädern und vier Beinen.
Tame Dieye muss heute für einen Kunden lange Leisten aus Metall kaufen und liefern. Vor einer Eisenhandlung hält er sein Pferd an. Der Braune hört auf den Namen Sadio Mane, eine Hommage an den gleichnamigen Fußballspieler. Er stand in der Saison 2022/2023 bei Bayern München unter Vertrag. Sein vierbeiniger Namensvetter steht nun geduldig am Straßenrand. Die wenigen Autos stören ihn nicht. Die Transportkutsche ist eine Maßanfertigung und in blauer Farbe gestrichen.
Seit knapp sechs Jahren arbeitet Tame Dieye als Kutscher. Anfangs war das eine Notlösung. “Ich habe keinen anderen Job gefunden”, erinnert sich der große, hagere Mann. 18 Millionen Einwohner hat das Land im äußersten Westen Afrikas. Das Durchschnittsalter liegt bei 19 Jahren. In manchen Schätzungen heißt es, dass jährlich bis zu 300.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen. Nach Angaben der nationalen Statistikbehörde waren 2021 mehr als 47 Prozent der 25- bis 35-Jährigen arbeitslos.
Das Fuhrgewerbe bietet eine Einkommensmöglichkeit. In einer 2018 veröffentlichten Studie der britischen Brooke-Stiftung – sie setzt sich seit 90 Jahren für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen von Eseln und Pferden ein – heißt es, dass der tägliche Verdienst eines Lastenkutschers bei durchschnittlich zwölf US-Dollar liegt. Die Betriebsausgaben betragen die Hälfte.
Tame Dieye arbeitet für einen Unternehmer, das Pferd gehört ihm nicht. Ein Leben ohne Sadio Mane kann er sich aber nicht mehr vorstellen. “Wir sind zusammen gewachsen. Er geht los, wenn ich es will, bleibt aber auch sofort auf Zuruf stehen.”
Sadio Mane hat allerdings eine kleine Scheuerstelle am Bauch. Abdoulaye Mbengue sieht es sofort und fragt, wie die Wunde versorgt wird. Er ist Vizepräsident der Vereinigung für den Schutz der Tiere in Rufisque (ARPA). Allein dort gibt es mehr als 500 Gespanne. Landesweit sollen es 550.000 Pferde sein. Auf dem afrikanischen Kontinent liegt Senegal damit auf Platz fünf der Pferdepopulation.
Trotz der kleinen Scheuerstelle ist Sadio Mane gut im Futter, was längst nicht immer der Fall ist. Viele Pferde sind mager, lahmen und haben offene Wunden. Einige Kutscher prügeln regelrecht auf die Tiere ein. ARPA will das ändern. In Informationsveranstaltungen sprechen die Mitarbeiter über den richtigen Umgang mit Pferden, geben Tipps zum Futter, organisieren Impfkampagnen und verteilen Broschüren. Ein Heftchen der Brooke-Stiftung beschäftigt sich sogar ausschließlich mit der Stellung von Tieren im Koran. Dort steht, wie wichtig eine gute Behandlung ist. Im Senegal bekennen sich mehr als 95 Prozent der Menschen zum Islam.
Für Abdoulaye Mbengue entspricht die Pflege der Vierbeiner vor allem auch der wirtschaftlichen Vernunft. “Ist das Pferd gesund, kann es mehr leisten. Besitzer und Kutscher erzielen höhere Einkommen.” In welchem Umfang die Gespanne zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, lässt sich zwar nicht sagen. Die Viehzucht allgemein macht vier Prozent des BIP aus.
Vor allem im ländlichen Afrika sind Tiere wichtige Partner, erhalten aber zu wenig Aufmerksamkeit. Nach Informationen des katholischen Hilfswerks Misereor ist die veterinärmedizinische Versorgung sowohl für kleinbäuerliche Betriebe, die Tiere halten, als auch für die Herden der von der Viehhaltung lebenden Pastoralisten extrem schlecht. In Ghana waren beispielsweise 2015 nach damaligen Informationen von den landesweit 200 registrierten Tierärzten nur 60 im aktiven Dienst.
Eigeninitiative ist deshalb gefragt. Tierhalter entwickeln beispielsweise aus lokalen Heilpflanzen wirksame Heilmittel gegen eine Vielzahl von Tierkrankheiten und Parasiten. Auch bei mehreren Projekten des katholischen Hilfswerks Misereor gilt: “Ein gut genährtes Tier ist in der Regel gesünder und entsprechend produktiver.”