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Seit 70 Jahren ist jede Frau eine “Brigitte”

Die “Brigitte” feiert 1954 als ihr Gründungsjahr. Tatsächlich ist sie noch viel älter – und hat sich immer mit der Zeit entwickelt. Seit 2023 gehört das “Blatt der Hausfrau” jetzt der Mediengruppe RTL.

“Die Zeit unseres Lebens” ist die Jubiläumsausgabe der Frauenzeitschrift “Brigitte” betitelt. Anke Engelke, Iris Berben und Aminata Belli stehen im Interview ihre Frau und vermessen als “starke Stimmen” Emanzipation, Veränderungen und die “Generation Wir”. 70 Jahre alt ist das Blatt nach eigener Zählweise, 1954 erschien die erste Ausgabe – allerdings bereits im Mai.

Dabei ist die “Brigitte” eigentlich sogar noch viel älter. Bereits 1886 gab es in Berlin ein Heft mit dem programmatischen Titel “Dies Blatt gehört der Hausfrau” und empfahl sich als “Zeitschrift für die Angelegenheiten des Haushalts”. 20 Jahre später übernahm der Ullstein-Verlag, fügte seine berühmten Schnittmuster zum Selbstnähen dazu und benannte das Ganze in “Ullsteins Blatt der Hausfrau” um. Hier kam der Legende nach weitere 20 Jahre später auch der Name Brigitte ins Spiel. Verlegersohn Hermann Ullstein soll den Slogan “Sei sparsam Brigitte, nimm Ullstein-Schnitte” erfunden und erklärt haben: “Jede Frau ist eine Brigitte.”

Für Barbara von Treskow (1895-1972) gilt das in ganz besonderem Maße. Die Tochter eines ostelbischen Gutsbesitzers war Frauenrechtlerin und Journalistin, 1933 wurde sie für kurze Zeit Chefredakteurin des “Blatts der Hausfrau”. Nach dem Krieg ging von Treskow nach Hamburg, arbeitete bei der liberalen Tageszeitung “Hamburger Anzeiger” und hatte auch ein Auge auf das seit 1949 wieder erscheinende “Blatt der Hausfrau”, das ab 1952 den Untertitel “Brigitte” trug. 1954 fiel die Hausfrau weg, “Brigitte” blieb – bis heute.

Waren die ersten Jahre unter einem männlichen Chefredakteur noch vom Krieg, Familienschicksalen und einem eher konservativen Weltbild gekennzeichnet, setzte die “Brigitte” danach auf die moderne, junge Frau von damals. Stilbildend war die Rubrik “Brigitte”-Zimmer. Sie sollte ursprünglich lediglich Einrichtungstipps geben, wurde aber schnell als Forderung nach einem eigenen Rückzugsort und mehr Selbstentfaltung für Frauen in Familie und Gesellschaft gelesen.

1957 übernahm der Verleger John Jahr die “Brigitte”. Jahr gab damals auch die wesentlich auflagenstärkere Frauenzeitschrift “Constanze” heraus, die in den 1960er Jahren aber zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. 1969 fusionierte die beiden mittlerweile im Verlag Gruner + Jahr erscheinenden Titel. Anfang der 1970er Jahre lag die Auflage bei fast 1,5 Millionen Exemplaren.

Die Leserinnen wurden jünger – der Schnitt lag zwischen 20 und 29 – und politischer. Zwar behielt die “Brigitte” ihre “fünf Ks” bei (Kleidung, Kosmetik, Komfort, Kinder und Küche), berichtetet aber auch über Frauen in Politik und Beruf, faule Männer im Haushalt, moderne Pädagogik und strittige Themen wie Abtreibung. 1973 initiiert “Brigitte” eine Tagesmütter-Kampagne, 1982 erregt die Berichterstattung über das “Tabuthema Missbrauch” Aufsehen, 1985 kommt mit Anne Volk die erste Chefredakteurin.

Seit 1989 gehört regelmäßig das “Dossier” zu Themen wie Psychologie, Sexualität und Partnerschaft zum Angebot. 2010 startet “Brigitte” die Kampagne “Ohne Models” und lässt fortan keine professionellen Models mehr ins Blatt. Den Leserinnen wird das aber schon bald zu bunt, 2012 dürfen die Profis zurück. 2017 setzt ein “Brigitte”-Talk mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Thema “Ehe für alle” auf die Agenda. Die Leserschaft wird derweil wie das Blatt älter; aktuell liegt der Altersdurchschnitt nach Verlagsangaben bei rund 46 Jahren.

Federn lassen muste der um Titel und Spin-offs wie “Brigitte Woman”, “Brigitte Wir”, “Brigitte Leben!”, “Brigitte Be Green” oder “Brigitte Mom” angewachsene “Brigitte”-Kosmos, als ab 2022 Gruner + Jahr mit RTL zusammengelegt wurde. Heute erscheint nur noch das Hauptblatt, wie immer zweiwöchentlich. Die Krise am Zeitschriftenmarkt geht auch an der “Brigitte” nicht spurlos vorbei. Die Auflage liegt aktuell bei rund 200.000 Exemplaren – vor zehn Jahren waren es weit über eine halbe Million.

Seit Oktober 2023 ist Susanna Riethmüller Chefredakteurin der “Brigitte”, und die frühere Zeitschrift für die Angelegenheiten des Haushalts interessiert sich weiter für Mode, Beauty, Kultur, Reise, Job, Finanzen und Gesundheit. Damit, sagt Rietmüller, sei die “Brigitte” ihrer Linie immer treu geblieben. Sie begegne “Leserinnen auf Augenhöhe” und setze sich mit “den großen Lebensthemen von Frauen” auseinander.

Und natürlich gehört auch das fünfte “K” für “Küche” weiter dazu. Zum Jubiläum gibt es Partyklassiker der 1950er Jahre – modern interpretiert.