Die hohe Zuwanderung bringe Kriminalität und führe zu einem Verlust der Schweizer Identität, behauptet die Schweizerische Volkspartei SVP – und wird so wohl die Wahl in der Alpenrepublik am Sonntag gewinnen.
Die “Messerstecher-Inserate” sind in der Schweiz bekannt und berüchtigt. Auch im aktuellen Wahlkampf hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) sie eingesetzt. Mit Slogans wie “Messerstecherei in Asylantenheim. Wer das nicht will, wählt SVP”, hat die Partei Ängste vor Geflüchteten geschürt.
Sie warnt vor einer “10-Millionen-Schweiz” – also davor, dass die Einwohnerzahl von derzeit acht innerhalb kurzer Zeit auf zehn Millionen anwachsen könnte. Die offen fremdenfeindliche Kampagne hat Erfolg. Laut Umfragen kann die SVP bei den Parlamentswahlen am Sonntag mit einem Plus von rund 2,5 Prozentpunkten rechnen.
Der Zuwachs scheint auf den ersten Blick gering. Dennoch würde er eine Verschiebung im Schweizer Polit-System bedeuten. Die AfD-nahe SVP ist bereits jetzt stärkste Partei im Schweizer Parlament, dem Nationalrat. Nun wird erwartet, dass sie noch weiter zulegt und auf 28 Prozent der Stimmen kommt.
In der Alpenrepublik spielt die Briefwahl eine bedeutende Rolle für die Demoskopen. Aus den Einsendungen, die vier Wochen vor dem Wahltermin beginnen, lässt sich relativ zuverlässig auf Wahlbeteiligung und Gewichte der Parteien schließen. Zudem helfen repräsentative Befragungen, die Präferenzen der Wählerschaft präzise zu bestimmen. So kommt es an Wahlabenden selten zu Überraschungen.
Neben der SVP kann auch die Sozialdemokratische Partei (SP) auf einen Zugewinn hoffen. Sie kommt voraussichtlich auf 1,5 Prozentpunkte mehr, und damit auf rund 18 Prozent der Stimmen. Damit würde sie wie in der Vergangenheit deutlich hinter der SVP liegen, aber sie bliebe zweitstärkste Kraft in der traditionell konservativen Schweiz.
Der SP hilft vor allem die deutliche Erhöhung der Krankenkassenprämien; sie werden 2024 um satte 8 Prozent hochschnellen. Diese Preissteigerung bei der verpflichtenden Krankenkasse ist für viele Mittelstandsfamilien ein regelrechter Schock. Das mobilisiert die Wählerinnen und Wähler vor allem im linken Spektrum.
Bereits vor dem Wahlsonntag ist klar, dass die Grünen und Grün-Liberalen deutliche Verluste erleiden werden. Den Klimawandel gibt es immer noch, aber die Schweizerinnen und Schweizer haben offenbar andere Prioritäten. Den Hauptgrund für die Verluste sehen Experten in der großen Bedeutung der Migrationspolitik im Wahlkampf. Obwohl die Schweiz im Vergleich zur EU eine restriktive Einwanderungspolitik betreibt und wenig von den aktuellen Migrationsströmen betroffen ist, ist die Angst vor “Überfremdung” in der Bevölkerung weit verbreitet.
Ein besonderes Augenmerk gilt den beiden bürgerlichen Parteien der politischen Mitte. Da ist einerseits die staatstragende FDP. Die in der Schweiz “Freisinnige” genannten Liberalen haben mit dem Untergang der Großbank Credit Suisse einen schweren Imageschaden erlitten und schwächeln. Die Wirtschaftspartei wird von den Christdemokraten bedrängt, die in einem Kopf-an-Kopf-Rennen wahrscheinlich vorbeiziehen werden. Beide Parteien liegen mit 14 Prozentpunkten gleichauf. Hier liegt die größte Spannung bei den aktuellen Schweizer Wahlen.
Die Christliche Volkspartei CVP hat in den vergangenen vier Jahren einen Wandel durchlebt. Sie hat sich mit einer anderen Zentrumspartei zusammengetan und das “Christliche” aus dem Namen gestrichen. Seit zwei Jahren heißt die Partei nun “Die Mitte”. Sie zielt auf ein urbanes und jüngeres Publikum. Und sie hat damit Erfolg.
“Die Mitte” positioniert sich gegen eine Polarisierung zwischen rechts und links. Zugleich grenzt sie sich inhaltlich gegen die FDP ab, gewinnt so an Profil und in der Wählergunst. Überdies ist es den Christdemokraten zuletzt gelungen, als politischer “Deal-Maker” die Fäden in der Schweiz zu ziehen. Viele Gesetze passieren nur mit ihrer Hilfe das Parlament.