Zum Thema Schwangerschaftsabbruch gibt es ein breites Spektrum an Positionen. Diese reichen von strikten Verboten bis hin zu liberalen Rechten auf Selbstbestimmung. Die Aufnahme der Paragrafen 218 bis 220 in das Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches von 1871 „war das Ergebnis der seit Beginn des 19. Jahrhunderts geführten Diskussion zu diesem Themenkomplex“, heißt es auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung. Die Haltung zum Schwangerschaftsabbruch ist bis heute eine der umstrittensten ethischen und gesellschaftlichen Fragen.
Am Samstag findet der „Marsch für das Leben“ zum 21. Mal in Berlin und zum 3. Mal parallel in Köln statt. Zeitgleich ist in Berlin eine Gegendemonstration angekündigt, bei der sich Aktivisten für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen.
Debatte über Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, bleiben aber straffrei, wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung verursacht wurde, Gesundheit oder Leben der Mutter in Gefahr sind sowie innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis, wenn eine Beratung stattgefunden hat. Seit Längerem wird diskutiert, Abbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft nicht mehr im Strafgesetzbuch zu verbieten, sondern grundsätzlich zu entkriminalisieren.

Die sogenannte Lebensschutzbewegung ist dagegen überzeugt: Das Leben des ungeborenen Kindes besitzt ab der Zeugung einen unantastbaren Wert. „Ab dem Moment der Zeugung ist ein Mensch ein Mensch. Es gibt keine abgestufte Menschenwürde“, meint der Bundesverband Lebensrecht. Die jährliche zigtausendfache Tötung von Kindern vor ihrer Geburt sei ein „bedrückendes Indiz dafür, dass der Wert jedes Kindes und sein Recht zu leben heute stark gefährdet sind“.
Pro-Choice-Bewegung fordert Legalisierung von Abbrüchen
Diese kompromisslose Haltung löst Kritik bei Gruppen sowie Organisationen aus, die sich für sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung engagieren. Diese kritisieren die Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und engagieren sich politisch für die Streichung der relevanten Paragrafen im Strafgesetzbuch. Die deutsche Gruppierung der weltweiten Pro-Choice-Bewegung etwa fordert unter anderem die gänzliche Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch und die flächendeckende medizinische Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) sprechen zum Thema Schwangerschaftsabbruch nicht mit einer Stimme. Zwar befürworten beide Kirchen Beratung und Unterstützung für Schwangere, in der zentralen Frage der strafrechtlichen Regelung bestehen jedoch Differenzen. Die evangelische Kirche plädiert für eine Änderung des Abtreibungsrechts. Die Deutsche Bischofskonferenz lehnt jede Liberalisierung des bestehenden Schutzkonzepts strikt ab und spricht sich weiterhin klar gegen Schwangerschaftsabbruch aus.
Abtreibungsrecht: Debatte über Liberalisierung und Beratungspflicht
Aus dem Streit zwischen Rom und den deutschen Katholiken um die Schwangerenkonfliktberatung ist vor rund 25 Jahren „donum vitae“ (Geschenk des Lebens) hervorgegangen. Den bürgerlichen Verein hatten katholische Laien 1999 nach dem auf päpstliche Anweisung hin erfolgten Ausstieg der katholischen Kirche aus dem staatlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung gegründet. Der Verband „pro familia“, der ebenfalls Beratungsstellen unterhält und Geld aus dem Bundeshaushalt bekommt, sprach sich klar für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts aus.
Aktueller Stand: Im Bundestag wurde ein Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs von einer Gruppe von Abgeordneten eingebracht. Dieser sieht vor, einen Abbruch bis zur zwölften Woche nach Beratung zu entkriminalisieren. Sachverständige äußerten unter Verweis auf die Entstigmatisierung und verbesserte Versorgung teils Zustimmung und teils Kritik an den vorgesehenen Änderungen. Eine politische Entscheidung steht derzeit noch aus.
