Geiger mit überlasteten Ellenbogen, Halswirbelsäulen oder Schultergelenken sind in einem Theaterbetrieb bekannte Probleme, von denen das Publikum im Regelfall nichts mitbekommt. Trompeter dagegen leiden häufig an zu hohem Blutdruck. Und Bühnenbildner melden sich oft mit Rückenproblemen krank. „Die Welt der Kunst ist eben nicht nur schön und mit Applaus besetzt“, weiß Sebastian Kerber, Chefarzt am Campus des Rhönklinikums im unterfränkischen Bad Neustadt an der Saale (Landkreis Rhön-Grabfeld).
Seit 2017 kooperiert der Kardiologe mit dem Staatstheater Meiningen im Südwesten Thüringens und hat ein Fachärztenetz aufgebaut, das erkrankten Mitarbeitern innerhalb von wenigen Tagen Facharztbesuche vermitteln will. Etwa alle sechs Wochen besucht eine Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie des Klinikums das Theater als Ansprechpartnerin für alle Mitarbeitenden mit akuten gesundheitlichen Problemen. Das Netzwerk versucht dann, den richtigen Ansprechpartner sowie schnellstmöglich einen Termin zu finden.
Intendant Jens Neundorff von Enzberg ist dankbar für die Unterstützung. Viele der beteiligten Mediziner in der Kooperation hätten in größeren Städten studiert und seien nun froh über die Kulturversorgung auf dem Land. Und sein Theater freue sich über die gute Gesundheitsversorgung. „Pro Jahr erfolgen bis zu 120 solcher Vermittlungen“, sagt der Intendant im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Betroffenen Mitarbeitern werde schnellstmöglich geholfen und dem Haus erleichtere die Hilfe, den Spielplan einzuhalten. „Der Krankenstand und speziell die Grippesaison sind Themen, die uns im Theater jedes Jahr aufs Neue beschäftigen“, sagt der Intendant. Die Termine seien dabei keine Privatsprechstunden. Es gehe in der Regel um schnelle Hilfe für Kassenpatienten.
Die Sprecherin des Staatstheaters, Susann Höfner, verweist auf einen ganz speziellen Meininger Aspekt. Ihr Haus zeichne aus, dass es viele Uraufführungen oder selten gespielte Stücke ins Programm nehme. Die „Feen“ etwa von Richard Wagner (1813-1883) feierten 2023 in Meiningen Premiere. Davor sei das Stück zehn Jahre lang nicht in Deutschland inszeniert worden. „Wenn in einem solchen Stück ein Sänger ausfällt, ist es unmöglich, kurzfristig Ersatz zu beschaffen“, sagt Höfner.
Chefarzt Kerber begründet sein Engagement mit seinem eigenen musischen Interesse. Dadurch habe er viel Kontakt zu Künstlern. Diese seien hohen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt. „Sie arbeiten wie Hochleistungssportler, sie müssen auf den Punkt ihre Leistung bringen“, sagt er. Dem haben sich sein Netzwerk und er selbst angenommen, um den Künstlern ein wenig von dieser Belastung zu nehmen.